Zu Fuß unterwegs am Österreichischen Weitwanderweg 07. Auf der Via Pannonia von Landsee bis zum Hochwechsel (Et. 25, 26, 27) und weiter nach Süden am Oststeirischen Grenzlandweg (Et. 28, 29, 30) bis Bad Waltersdorf im oststeirischen Hügelland.

Ruine Landsee

Es ist der 19.4.2025 und es steht das Osterwochenende vor der Tür. Die Prognosen versprechen frühlingshaftes Wetter um die 22°C. Also, früh aufstehen, Rucksack packen und auf zum Bahnhof Meidling! In Wiener Neustadt treten wir im R93 eine Art Nostalgiefahrt an: ein Dieseltriebwagen der Serie 5047 bringt uns im Stil der 80er Jahre nach Mattersburg – jüngere Mitreisende sind passend zum Zug gekleidet, manche nehmen es besonders genau und tragen einen Vokuhila oder eine Rotzbremse. Zurück in die Zukunft geht es mit dem Bus B14 nach Markt St. Martin, wo schon das burgenländische Anruf-Sammeltaxi (BAST) auf uns wartet. Wir brausen nach Landsee, genauer zu dessen Ruine etwas außerhalb der Ortschaft. Bei unserem letzten frühmorgendlichen Besuch im November war sie noch geschlossen, deshalb holen wir die Besichtigung heute nach. Die Anlage hat eine wahrlich imposante Größe, war hervorragend gegen Angreifer geschützt und hatte auch etwas mit Raubrittern zu tun. Der Burgfried Donjon aus dem 16. Jahrhundert ist heute mit einer Aussichtsplattform versehen und bietet einen großartigen Rundblick auf nah (ehemaliger Vulkan Pauliberg) und fern (Geschriebenstein).

Ankommen auf der steirischen Hauptroute des Ostösterreichischen Grenzlandweges

Mit der Anreise und dem Ausflug in die Geschichte ist der Vormittag schon weit fortgeschritten. Daher geht es nun zügig nach Landsee und durch die langgezogene Ortschaft hindurch bis wir auf die Wegabzweigung der Burgenland-Route des 07ers stoßen. Im November 2024 sind wir hier links abgebogen um das Mittel– und später auch das Südburgenland zu durchwandern. Heute gehen wir an dieser Stelle, gemeinsam mit dem Zentralalpenweg (Österreichischer Weitwanderweg 02), geradeaus. Ab sofort wird die steirische Hauptroute des Österreichischen Weitwanderweges 07 begangen. Der nächste Ort Blumau gehört noch zum Bezirk Oberpullendorf, aber mit dem Überschreiten der Rabnitz lassen wir das Burgenland, und auch den Naturpark Landseer Berge, hinter uns und betreten den niederösterreichischen Bezirk Wiener Neustadt-Land.

Hagelfall und Glockenflug

Nun steht ein steiler Anstieg bevor, denn nach Stang sind fast 200 Höhenmeter auf einem Waldweg zu überwinden. Aber was ist das? An vielen Stellen liegen haufenweise Hagelkörner, mancherorts gut 15 cm hoch. Gestern noch hat es in dieser Gegend stark geregnet und offensichtlich auch gehagelt. Ansonsten sehen wir keine Spuren dieser Naturgewalt. Bald geht es auf der Straße weiter bergauf und wir erreichen Stang, wo wir uns vom Zentralalpenweg verabschieden, der hier rechts abbiegt, während wir uns links halten. Ein fast ohrenbetäubender Lärm erinnert uns daran, dass ja die Kirchenglocken seit Gründonnerstag in Rom weilen und sie mit Ratschen vorübergehend ersetzt werden. Auf dem Weg nach Kirchschlag passieren wir ein Flugfeld. Hier werden die Glocken bei ihrer Rückkehr in der Osternacht dann wohl landen…

Ohne Kreuzschmerzen in Kirchschlag in der Toskana

Die Stadt Kirchschlag in der Buckligen Welt, wie sie ganz offiziell heißt, überrascht uns – sie ist groß, alt und belebt. Passionsspiele werden alle 5 Jahre ausgetragen, es gibt ein Stadtmuseum und über dem Ort thront eine Burgruine. Ulli wollen wir einerseits am Karsamstag nicht stören und andererseits haben wir heute noch einiges vor. So brechen wir nach einer Stärkung im Gasthaus Pürrer bald auf – aber nicht bevor wir von einer wanderaffinen Dame im Lokal noch erfahren haben, dass sie heuer nach Mariazell wandern wird. Und der Südburgenland-verliebte Wirt und Fleischer Herr Pürrer für uns noch schnell die Bucklige Welt mit der Toskana verglichen hat – er mag die Gegend, in der er lebt! Das Gebiet östlich vom Wechselland und rund um das Dreiländereck Burgenland-Niederösterreich-Steiermark ist das „Land der 1000 Hügel“, aber besser bekannt als Bucklige Welt – wer also an den Glöckner von Notre-Dame gedacht hat, braucht sich nicht um die Rückengesundheit der hiesigen Bevölkerung zu sorgen. Quasimodo ist hier maximal ein Haustiername.

Reger Verkehr am Hutwisch

Dann marschieren wir los. Zunächst auf der Straße, dann auf schönen Wegen nach Maierhöfen und weiter an Kreativprojekten vorbei auf den Hutwisch (896m), den höchsten Berg der Buckligen Welt. Und damit er noch ein bisschen höher ist, hat man die 22m hohe Kernstockwarte draufgestellt. Natürlich lassen wir uns auch diese Höhenmeter nicht entgehen und erblicken in der Ferne die schneebedeckten Flächen von Rax und Schneeberg und weiter vorne links den Hochwechsel, auf dessen Gipfel wir am Ostermontag stehen wollen. Der 07er trifft hier auf den grenzüberschreitenden Weitwanderweg Alpannonia, der die ungarische Tiefebene mit den östlichen Ausläufern der Alpen verbindet. Rund um den Hutwisch, aber eigentlich schon den ganzen Tag, treffen wir auf einige Wandernde, Spaziergehende und eine bunte Läuferschaft. Heute haben wir wohl mehr Menschen unterwegs getroffen als im ganzen Burgenland zusammen!

Der 07er – ein vom Aussterben bedrohter Weg?

Die Schatten werden länger und wir sind noch über eine Stunde von unserem Quartier entfernt. In Hochneukirchen gibt uns ein Espresso noch die nötige Energie für den Endspurt auf Asphalt nach Hattmannsdorf und die letzten Höhenmeter des Tages auf den Kahlen Riegel (827m). Im Landgasthof Höller in Gschaidt werden wir schon erwartet. Nach einer Dusche fühlen wir uns zwar nicht wie neugeboren, aber bei Bärlauchsuppe, Schafkäsesalat, Osterjause und einem Achterl Blaufränkisch aus Eisenberg (!) – da waren wir schon – erwachen unsere Lebensgeister zumindest noch für eine Unterhaltung. Die Wirtsleute sind bzw. waren passionierte Wandernde – sie haben viel gesehen und erlebt auf Wegen und im Wirtshaus. Man macht sich Gedanken über die Jugend und ihre Nutzung der Sozialen Medien. Über das Diskothekensterben und dass die Jungen gar nicht mehr ausgehen wollen. Über das sich ändernde Klima und dessen Auswirkungen in Form von Naturkatastrophen. Auch über die Notwendigkeit eines Autos am Land zum Überleben. Auf die Weitwanderwege angesprochen, meinen beide, es kämen nur mehr „die Älteren“ am 07er vorbei (sollten wir jetzt beleidigt sein?), dieser Weg sei „aus der Mode gekommen“. Die Jüngeren bevorzugten den Weg über den Wiener Alpenbogen bzw. den Alpannonia, die beide vom Tourismus stark beworben werden.

Die über 26 km und 1000 Höhenmeter des heutigen Tages machen sich inzwischen bemerkbar und wir ziehen uns in unser sehr geräumiges Zimmer zurück, wo wir unsere letzte Nacht in Niederösterreich am 07er ganz ohne Motorengeheule und Diskothekenlärm angenehm verbringen.

Vom Brüllen und Bellen

Am nächsten Morgen (20.4.2025) werden wir schon früh vom „Brüllen der Vögel“ (Zitat Daniel Glattauer) direkt vor unserem offenen Fenster geweckt – der Frühling macht sich überall bemerkbar! Wir bleiben aber noch liegen, denn eilig haben wir es heute nicht. Wir rechnen mit nur 5 Stunden Gehzeit, obwohl wir die höhenmeterintensive Hauptroute über Tauchen und nicht die wadenschonende Variante über Mönichkirchen nehmen werden. Beim Frühstück gibt es heute ganz saisonal und traditionell Osterschinken und Ostereier und weil die Stimmung so nett und entspannt ist, auch zu viel Kaffee, worauf unterwegs mit wilden Purzelbäumen im Brustkorb zu rechnen ist. Wir haben es schon beim Abendessen gestern vernommen und jetzt hören wir es wieder: das steirische „Bellen“, eine Dialektform, die uns weiter südlich noch oft begegnen wird. Der akustische Vorbote soll uns also auf die St. Eiermark einstimmen (Ostern schlägt schon ziemlich durch…).

Schäffern – nicht nur eine Raststätte der A2

Von Gschaidt geht es durch einen Wald mit teilweise sehr dicken Bäumen über die Landesgrenze zum steirischen Gasthaus Laglmühle und dann auf der Bundesstraße langweilig und mühsam nach Schäffern. Beim Gasthaus Pürrer (offensichtlich beliebter Nachname in der Gegend) trinken sich die Musizierenden der Blaskapelle mit kalten Hopfengetränken warm, während sich ihre Blechblasinstrumente in den noch verwaisten Blumentrögen draußen in der Sonne aufwärmen. Schäffern kannte ich ja peinlicherweise bisher nur als A2-Autobahnraststätte. Wir wandern aus dem Ort hinaus bergauf zur schön gelegenen Kreuzbühel-Kapelle, wo wir schon die erste Pause machen – wir haben es heute ja nicht eilig! Die Blasmusikkapelle spielt auf, wir hören es ganz deutlich vor uns. Hinter uns drängt sich eine andere Geräuschkulisse heran – es ist die besagte A2, der man hier akustisch nicht entkommt. Obwohl die Aussicht hier wahrlich zu genießen wäre, wollen wir das Thema „Autobahn“ hinter uns bringen. Es geht also weiter und der Lärm wird immer aufdringlicher. Die Raststation finden wir hinter Gittern vor, vermutlich damit kein Autofahrer entkommen kann! Leider ist auch ein Geocache auf der anderen Seite des Zauns und somit für MarkusG unerreichbar. Wir überqueren die A2 – spannenderweise sind nur wenige Autos heute unterwegs, dennoch ist der Lärm weithin hörbar.

Der gar nicht nette Seppl und seine Kumpel

Auf einem angenehmen Weg geht es weiter zur nächsten Rast bei 3 Wetterkreuzen mit Aussicht. Auf Wetterkreuze treffen wir in diesen Tagen oft. Man stellt sie auf und hofft auf eine gute Ernte und die Bewahrung vor Naturgewalten. Seit Schäffern treffen wir auch regelmäßig auf Info-Tafeln des „Historischen Weitwanderweges Wechselland“. Zeit haben wir ja genug und so tauchen wir gelegentlich in die örtliche Geschichte ein: der „Holzknechtseppl“ (1794-1828) scheint ein übler Gesell gewesen zu sein. Mit seiner Bande sorgte er hier in der Gegend für Angst und Schrecken bei der lokalen Bevölkerung. Diebstahl, Quälerei, Raub und Ermordung veranlassten schließlich Kaiser Franz I. eine eigene Kommission einzusetzen, die die Übeltäter auch tatsächlich zur Strecke brachte. „Holzknechtseppl“ wurde publikumswirksam am Gerichtsberg von Pinkafeld gehängt. Die lesenden Weitwandernden wenden sich mit Gänsehaut ab – nein, früher war nicht alles besser!

Null Promille in Tauchen

Es geht hinunter nach Tauchen,wo wir einen Stempel brauchen.

Nichts geht über einen Schüttelreim, klein und fein!

Eine Google Maps Blitz-Abfrage ergibt als Lokal in Tauchen nur „Saufbunker 7“, doch ein zweiter Blick auf die Karte verrät, dass hier das Tauchen im Burgenland als Ergebnis gezeigt wird, nicht das niederösterreichische Tauchen und auch nicht Steirisch-Tauchen. Na, wenigstens ersparen wir uns den „Saufbunker 7“, aber eine andere offene Gastronomie finden wir nicht. Generell wirkt hier in Tauchen (642m) alles sehr ausgestorben und trostlos und wir sind uns sicher, dass die Variante 07A über Mönichkirchen (967m) wohl lohnender gewesen wäre. Nach dieser kurzen Stippvisite im niederösterreichischen Bezirk Neunkirchen geht es wieder ins Steirische.

Auf viel Asphalt machen wir nun einige Höhenmeter bis Schaueregg. Noch ein bisschen mehr Asphalt folgt, aber schließlich führt uns ein Waldweg und eine Skipiste nach noch mehr Höhenmetern zum Hallerhaus auf 1350m Seehöhe. In Summe war heute deutlich mehr geteerter Bodenbelag unter unseren Füßen als gestern.

Drei Stockwerke, zwei Kuckucksuhren, ein Rollator

Es erwartet uns eine rustikale, mehrstöckige Hütte im Familienbetrieb auf steirischem Boden und im Besitz der alpinen Gesellschaft „Die Haller“ (zuvor nie gehört…). Die Skipiste neben dem Haus befindet sich in Niederösterreich. Am Ostersonntag ist hier die größere Familie zusammengekommen und wie das halt so ist an den Feiertagen, offensichtlich nicht ganz freiwillig – etwas missmutig und unmotiviert werden wir in Empfang genommen und es dauert ein bisserl, bis wir die Personen zuordnen können. Nach einer Dusche und einer ausgiebigen Rast wagen wir uns wieder in die Stube. Die Situation scheint inzwischen entspannter und schon bald genießen wir dampfende Käsespätzle mit Speck, die uns freundlich serviert werden, und lauschen den Klängen von Radio Tirol in der Stube („Liebeskummer lohnt sich nicht“ von Siw Malmkvist und diverse Polka-Melodien) oder englischen Pop-Rock-Stücken eines nicht-erkannten Senders am WC. Dazu melden sich stündlich zwei Kuckucksuhren mit 2 Minuten Abstand. Die Oma des Hauses schiebt zweimal ihren Rollator für einen Abendspaziergang rhythmisch zur Musik durch die Stube. Ansonsten fühlen wir uns als einzige Übernachtungsgäste etwas isoliert. Vorm Schlafengehen kommen wir dann doch noch mit den eigentlichen Wirtsleuten ins Gespräch und sie erzählen, dass hier viele Weitwandernde und Pilgernde vorbeikämen, aber erst ein bisserl später im Jahr.

Alle Wege führen hinauf

Die Nacht in dieser Höhe verläuft wie erwartet sehr ruhig und dennoch gibt es am frühen Morgen auch hier heroben brüllende Vögel. Das Frühstück dürfen wir schon eine halbe Stunde vor der offiziellen Zeit einnehmen und so verlassen wir an diesem Ostermontag (21.4.2025) zeitig das Hallerhaus. Es geht auf den Wechsel und sowohl der 02er als auch der Alpannonia sind die Weggefährten des 07ers bis zum Hochwechsel. Zuerst durch das Skigebiet, geht es bald über die „Steinerne Stiege“ steinig bergauf durch den Wald. Die Bäume werden mit jedem Höhenmeter weniger und vor uns liegt der lange Bergrücken, der auch die Grenze zwischen Niederösterreich und Steiermark bildet. Heidelbeersträucher gibt es hier massenhaft, aber alles Leben scheint noch entwichen und erst seit kurzem von Schnee befreit. So wirkt hier alles sehr kahl und öd, während in den tieferen Lagen der Frühling längst Einzug gehalten hat.

Die Länderscheide

Zuerst wird der Niederwechsel (1667m), dann der Hochwechsel (1743m) erreicht. Das Panorama wäre grandios, wenn nicht Saharasand die Sicht trüben würde. In der Ferne erkennen wir schneebedeckte Berge und rätseln, wie sie wohl heißen könnten (GüntherE wüsste die Antwort sofort). Das Wetterkoglerhaus im flachen Gipfelbereich befindet sich noch im Winterschlaf. Also beginnen wir ohne Stempel den Abstieg, der gemächlich hinunterführt. Wir wandern durch schöne Almgebiete mit guter Sicht auf das hügelige Joglland und schon bald sind wir wieder im Wald und treffen zum ersten Mal auf ein Schild des Steirischen Landesrundwanderweges. Am Hochwechsel haben wir am 07er Niederösterreich endgültig hinter uns gelassen. Auf unserem weiten Weg vom Nebelstein ist nun nur mehr ein Bundesland, die Steiermark, zu durchschreiten. Eigentlich sind es nur mehr zwei Bezirke – Hartberg-Fürstenfeld und Südoststeiermark. Unsere weitere Wanderung erfolgt am sogenannten Oststeirischen Grenzlandweg, welcher Teil des genannten Steirischen Landesrundwanderweges ist und mit dem Österreichischen Weitwanderweg 07 nun gemeinsam bis zu unserem Ziel Bad Radkersburg führt. Wir kommen dem Endpunkt also immer näher! Aber noch trennen uns mehrere Etappen vom Abschluss. Ein Schritt folgt dem nächsten…

Willkommen im Lafnitztal

Stetig geht es bergab. Das Wechselland liegt nun auch hinter uns und wir erreichen entlang des Lederer Baches Mönichwald im steirischen Joglland. Mönichwald ist quasi das Gegenteil von Tauchen: ein lebendiger Ort mit Menschen auf den Straßen, Tourismus und Gastronomie. Wir kehren ein und machen eine wohlverdiente Pause bevor wir die letzten 8 km bis Vorau in Angriff nehmen. Durch Mönichwald fließt die noch junge Lafnitz, deren Quelle sich unweit von Wenigzell befindet. Das unscheinbare Bächlein ist viele Kilometer weiter südöstlich ein breites, mäanderndes Fließgewässer, das den Garten meines Elternhauses in Rudersdorf bei Hochwasser auch schon überflutet hat.

Nicht nur im Prater blühn wieder die Bäume

Wir verlassen das Lafnitztal und steigen auf dem Höhenweg ins Vorauer Bergland hinauf. Der einladende Wald verschluckt uns fast. Der Frühling wurde schon mehrfach erwähnt. Damit einher gehen frisches Grün in den Wiesen und auf den Bäumen und letztere sind nun oftmals in Blüte, was eine besondere Pracht ist. Die Grasflächen sind voller Löwenzahn, Traubenhyazinthen, Schaumkraut und Gänseblümchen. Im Wald sehen wir häufig Kleines Immergrün und blühende Pestwurz. Sogar die ein oder andere Sumpfdotterblume strahlt uns im gelben Blütenkleid entgegen.

Wunder und Rituale

Die wundersame Minutenvermehrung auf so manchem Wegweiser nehmen wir mit einem Schmunzeln zur Kenntnis, wissen wir ja aus Erfahrung, dass zwei Schilder mit unterschiedlicher Zeitangabe auch ganz schnell vertauscht aufgehängt sein können, wenn man alles nicht noch mindestens drei Mal nachgeprüft hat. Aber bekanntlich lernt man ja aus seinen Fehlern…

Vom Wald geht es hinaus und durch die Felder. Geweihte Palmzweige stehen gekreuzt in den Äckern und Wiesen und sollen wohl Unwetter von der Ernte fernhalten. Viel Brauchtum haben wir in den letzten drei Tagen als wichtigen Teil der ländlichen Kultur erlebt, während wir durch landschaftlich sehr ansprechendes Hügelland im Sonnenschein wandern durften. Von Weitem schon sehen wir das Stift Vorau und kurze Zeit später beenden wir am Vorauer Grießplatz unsere Osterwanderung am Ostösterreichsichen Grenzlandweg.

Was haben Fahrstil, Zwangsbeschallung und Übelkeit miteinander zu tun?

Zur Feier des Tages – nicht weniger als 4 weitere Etappen wurden in den letzten 3 Tagen auf diesem abwechslungsreichen Weg in der östlichen Grenznähe Österreichs absolviert – kehren wir für eine finale Rast im Vorauerhof ein, bevor uns das Sammeltaxi Oststeiermark (SAM) abholt und nach Rohrbach an der Lafnitz fährt. Die Fahrt im Tesla (pfui teifl) gestaltet sich als abenteuerlich. Der wortkarge Fahrer möchte uns offensichtlich demonstrieren, wie toll sein Vehikel beschleunigen kann. Also finden wir uns während der 12km langen Fahrt in einem Bandscheiben-tötenden Stop-and-Go wieder, während aus den Lautsprechern für unsere Ohren Ungewohntes zu hören ist. Da wäre beispielsweise das glorifizierende Besingen des Komasaufens zur Lösung von Alltagsproblemen (Julian Sommer mit „Dicht im Flieger“) oder die gesangliche Entscheidungshilfe zur Berufswahl des finanziell scheinbar äußert lukrativen Tätowierer-Handwerks („Tätowierer“ von Chip & Dale) oder – gänzlich fantasielos – die Testosteron-triefende Reduzierung von Frauen auf weibliche Geschlechtsmerkmale („Monsta“ von Culcha Candela). Nach dieser schrägen Fahrt, sind wir froh, wieder aus dem Tesla auszusteigen. Der REX92 bringt uns wohltuend ereignislos nach Wien, danke liebe ÖBB!

Wandernd in die Therme

Vier Wochen später (Samstag, 17.5.2025) düsen wir wieder Richtung Süden. In Rohrbach an der Lafnitz wartet das SAM auf uns. Wir haben eine Wette abgeschlossen, ob der Musk-Fan uns wohl wieder abholt. Der Tesla mit seinem akustischen Höllengebrüll bleibt uns heute aber erspart und so geht später das Mittagessen am Masenberg auf meine Rechnung, die ich mit Erleichterung und Freude bezahle. Die gesprächige, Antenne Steiermark hörende und wanderinteressierte Fahrerin setzt uns am Vorauer Grießplatz ab. Der Platz schaut noch genauso aus wie vor einem Monat. Der Himmel hingegen ist verhangen mit grauen Wolken. Die Prognosen sind durchwachsen, es soll stürmisch werden und durchziehende Regenschauer sind jederzeit möglich. Es herrscht also Thermenwetter. Nur, von der Therme in Bad Waltersdorf trennen uns noch 45 zu wandernde Kilometer. Aber jede Reise beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt. Also, los geht’s! Übrigens, am Sonntagabend werden wir sagen können, dass uns keine nennenswerten Regentropfen begegnet sind!

Von Vorau auf den Masenberg im Randgebirge östlich der Mur

Zunächst wandern wir entlang eines Literaturpfads zum Stift Vorau, das auf einer Anhöhe steht. Die Augustiner Chorherren sind in diesem Kloster zu Hause und würden im Rahmen einer Führung durch die prunkvollen Räume von Bibliothek, Stiftskirche und Sakristei führen… wenn man sich die Zeit dafür nimmt.

Wir aber steigen aussichtsreich in den Graben des Vorauer Baches hinab um dann den langen Anstieg auf den Masenberg zu beginnen. Unterwegs treffen wir auf eine Art Hinkelstein mit Loch. Wir schauen uns um, doch wir sehen weder den geistig agilen kleinen Gallier, noch seinen nicht dicken, sondern nur kräftig gebauten Freund (wahrscheinlich sind sie gerade auf Wildschweinjagd). Wie kommt der Menhir hierher? Die Wissenschaft rätselt noch über Ursprung und Bedeutung dieser sogenannten Lochsteine, die es hier in der Gegend (und nur hier!) in beachtlicher Menge gibt.

Bei der Erzherzog Johann Höhe genießen wir den Blick auf Vorau und das Umland. Auf Asphalt geht es mit viel Panorama weiter. Ein Forstweg führt uns durch Fichtenmonokulturen bergauf und schließlich unter den fauchenden Rotorblättern des Windparks am Masenbergrücken dahin. Der Schickimicki-Olmstoll ist bestens besucht und hat keinen freien Mittagstisch mehr für uns. Gut so! Fünf Minuten später stehen wir am Gipfel des Masenbergs (1261m) und zwei weitere Minuten später sitzen wir in der urigen Schutzhütte Masenberg, wo wir fassungslos die Mehlspeisvitrine betrachten: die dargebotenen Köstlichkeiten haben einen wahrlich gigantischen Durchmesser!

Das Bouquet des Frühlings

Nun geht es gemütlich bergab, im Wald an vielen fleißigen Ameisen vorbei. Die Wallfahrtskirche von Pöllauberg ist in der Ferne gut zu sehen. Mal geht es über Asphalt, mal über Wiesen- und Feldwege, oft begleitet vom unvergleichlichen Duft frisch gemähter Wiesen oder aber vom herb-würzigen Aroma einer gerade erst Mist-gedüngten Grünfläche. Da die erste Mahd in vollem Gange ist, fallen die Wiesen fürs Botanisieren aus. Wir treffen blühende Ebereschen (Sorbus aucuparia), auch Vogelbeere genannt, sonnig-gelbe Blütenkörbe der österreichischen Gämswurz (Doronicum austriacum) und ein einzelnes Waldvöglein (Cephalanthera longifolia) mit noch schüchtern geschlossenen Blütenköpfen.

Wenn man Wegsperren als unverbindliche Empfehlungen interpretiert

Zwischen Wullmenstein und Ringkogel (der Hausberg von Hartberg) wird eine forstliche Sperre per Schild kommuniziert. Wir nehmen sie nicht ernst und klettern wenig später über entwurzelte Bäume am Weg. Aber es werden immer mehr gefallene Stämme und diese auch höher aufgetürmt. Also müssen wir einen kraftraubenden Umweg mit zusätzlichen Höhenmetern im unwegsamen Terrain in Kauf nehmen. Den Ausflug zur Ringwarte und den keltischen Spuren am archäologischen Rundweg sparen wir uns daher lieber und amüsieren uns stattdessen über die Sage vom in die Zukunft blickenden Schwein. In der Silvesternacht, aber nur alle 7 Jahre, soll das Borstentier aus einem Loch im Ringwall kommen. Je nach seiner körperlichen Konstitution (mager oder fett) und der Grasart in seinem Maul (Strohhalm oder goldene Ähre) sind Hunger, Elend und Unwetter oder glückliche Jahre voller Prosperität zu erwarten. Ja eh.

Hartberg – eine Stadt mit viel Geschichte

Es folgt eine wildromantische Wanderung durch den tiefgrünen Schluchtwald und kurze Zeit später betreten wir das Stadtgebiet von Hartberg. Ein Geocache bleibt trotz intensiver Suche nach (gefühlten) Stunden unentdeckt und so trotten wir an kunstvollen Graffitis vorbei Richtung Zentrum. Den Gasthof „Zum Brauhaus“ finden wir schnell. Ebenso hurtig folgt der Gang unter die Brause. Eiligst nehmen wir unser Abendessen ein um nicht mit dem heutigen Abendevent „Dinner & Crime“ zu kollidieren: während eines 3-Gang-Menüs wird für ambitionierte 60,-€ aus einem Krimi vorgelesen. Unser Abend aber klingt „spannungsentladen“ bei einem Spaziergang aus. Nordwestlich der Stadt erspähen wir die ersten Weinhänge seit wir die Steiermark betreten haben. In der Kirche ertönt Gesang. Der Karner beeindruckt mit farbenprächtigen Fresken. Schloss und Schlosspark verzaubern in der Dämmerung. Noch ein Geocache bleibt hartnäckig verborgen.

Vergeudete Liebe in schwindelerregender Höhe

Das Nachtprogramm bildet das ESC-Spektakel in Basel im TV. JJs stürmische Schifffahrt schaffe ich gerade noch, doch es passiert, was passieren muss: natürlich schlafe ich ein. Der nächste Morgen bringt die Verkündigung des heimischen Sieges in allen Medien – jetzt homma den Schas scho wieder gwonnen.

Die zarten Wellen des Alpenvorlandes

Auch am Sonntag, 18.5.2025, bleibt der Himmel zunächst bewölkt, zwischendurch aber auch aufgelockert und vereinzelt kommt die Sonne heraus, dann schieben sich wieder dunklere Wolken davor. So geht es den ganzen Tag. Ein kurzer Wandertag mit kaum nennenswerten Höhenmetern liegt vor uns und lediglich etwa 20 Kilometer trennen uns noch von unserer Nachmittagsbeschäftigung in der Therme: Abhängen und Entspannen. Aus der Stadt hinaus ist noch mit Verkehr zu rechnen, aber schon bald tauchen wir auf angenehmen Untergrund in einen wunderbaren Mischwald ein. Schon wieder muss die Autobahn A2 gequert werden, diesmal mit Unterführung. Dann noch die Hartberger Safen passieren und weiter durch Wald und Felder hinauf in den Ort St. Magdalena am Lemberg.

  • Blick zurück auf den Ringkogel

Rucksäcke als Einladung für einen Plausch

Bei einer kurzen Einkehr im Magdalenastüberl mischen wir uns unter die frühschoppende Ortsgemeinde nach der Erstkommunion mit Blasmusikuntermalung, entdecken den sportlichen Sparverein der Ansiedlung und beantworten geduldig alle Fragen rund um unsere Wanderung. Mit schönen Wegen ist jetzt Schluss und wir marschieren auf Asphalt an kleinen Ansiedlungen und ausgedehnten Obstplantagen vorbei. Immerhin gibt es blühende Holunderbüsche und Robinien am Wegesrand. Bei Haller fährt ein Dacia langsam an uns vorbei, kommt zu Halt und das Fenster wird geöffnet. Freundlich werden wir begrüßt und unsere Erscheinung mit großen Rucksäcken wohlwollend betrachtet (wir verraten nicht, dass das Hauptvolumen unserer Rucksäcke von Bademantel, Frotteehandtüchern und Badeschlapfen bestimmt ist). Sogleich folgt die Frage vom älteren Herrn hinter dem Steuer „Seid ihr am 07er unterwegs?“. Wie schön! Der Herr kennt sich aus! Und zwar sehr gut, wie sich gleich herausstellen wird. Der leidenschaftliche Weitwanderer hat den 02er, 03er, 05er und 07er absolviert und ist insgesamt 45x (!!!) von Kaindorf nach Mariazell gepilgert. Es entwickelt sich ein heiteres Gespräch und zum Abschied wünscht man uns erstmalig eine gute Ankunft in Bad Radkersburg. Ja, tatsächlich, so weit ist es gar nicht mehr – bald trennen uns nur mehr 4 Tagesetappen von unserem Ziel in der Südsteiermark.

Wenn die Kirchenplätze der Welt in den Farben des Vatikans erstrahlen

Beflügelt von der Begegnung gehen wir weiter und genießen die sanfte Landschaft des Oststeirischen Hügellandes. Schon sehen wir von der Ferne die Kirche von Bad Waltersdorf. Beim Café Strudelhof können wir zwar nicht ohne Eiskaffee vorübergehen, trotzdem stehen wir wenig später auf dem in weiß und gelb gehüllten Hauptplatz. Mehrere Fahnen des Vatikans flattern im Wind und verkünden die heute stattfindende Amtseinführung von Papst Leo XIV am Petersplatz in Rom.

Abschalten und Untertauchen

Unser nächstes Ziel ist die Heiltherme Waltersdorf – dort dürfen sich unsere Muskeln, Sehnen, Gelenke und Bänder im mineralienreichen Wasser von den Strapazen (?) des Wochenendes erholen. Nach einigen Stunden schlurfen wir tiefenentspannt zum Bahnhof und lassen uns angenehm gelassen nach Wien schaukeln.

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