Auf Schusters Rappen am Ostösterreichischen Grenzlandweg durch das Pinka-, Strem-, Lafnitz- und Raabtal und dazwischen über ein paar Hügel (Etappe 27-BW, 28-BW, 29-BW und 30-BW).

Zu dritt unterwegs
Die Stadt ist an diesem Samstagmorgen (8.2.2025) noch nicht ganz aufgewacht und wir erreichen zügig den Karlsplatz, wo der Burgenland Bus B01 bereits auf seine Fahrgäste wartet. In weniger als 2 Stunden rasen wir über die A2 nach Oberwart, wo wir unsere Mitwanderin treffen und gemeinsam mit dem Bus B16 nach Rechnitz fahren. Dort haben wir im letzten November unsere Wanderung unterbrochen (hier nachzulesen). Andrea hat sich vorgenommen, das Südburgenland mit uns zusammen zu „erwandern“ – uns freut das sehr.
Von Rechnitz durch das Tal der Pinka
Nach einem Kaffee in der Bäckerei Gabriel hat Andrea ihren ersten, wir unseren x-ten Stempel im Gepäck, einen GC im nahegelegenen Schlosspark geloggt und so starten wir auf Asphalt Richtung Süden. Der Weg führt durch Felder nach Dürnbach/Vincjet im Pinkatal und durch noch mehr Felder nach Burg, wo es einen schönen Naturbadesee gibt. Wir sind keine Eisschwimmer, lassen also bei erfrischenden 5°C und leichtem Wind das Gewässer links liegen und durchqueren schließlich das Dorf, das scheinbar bereits in der Jungsteinzeit besiedelt, in der Hallstattzeit ein Handelsknotenpunkt für Eisen und im Mittelalter ein Ort mit einer mächtigen Wehrburg war. Die Pinka macht hier eine große Schleife und biegt dann Richtung Ungarn ab. Die GCs des Tages sind Großteils feucht und schimmlig, einfach nur grauslich, aber immerhin wurden sie gefunden.
Eisenberg – wo die Hänge dem Wein gehören
Nach dem Erklimmen des Burgbergs geht es noch weiter hinauf durch einen Eichenwald, der offensichtlich bei Wildschweinen sehr beliebt ist, und wir gelangen auf das Hochplateau des Csaterberg-Eisenberg-Massivs. Von der Höhenstraße aus lassen wir den Blick nach Ungarn schweifen – die Grenze ist hier zum Greifen nah – und auf der prächtigen Aussichtsplattform oberhalb von Eisenberg sind wir von ausgedehnten Weingärten umgeben. Ein bisschen Sonne bricht noch durch und im Dunst zeichnet sich die Gemeinde Deutsch-Schützen im Südosten ab. Direkt vor uns liegen die Häuser von Eisenberg. Kurze Zeit später klopfen wir beim Weingut Reiger an und beziehen unsere Zimmer.
Martin Reiger schupft hier mit seinen beiden Töchtern den Laden, die uns mit deftigen Broten und Würsten die knurrenden Mägen füllen. Der Winzer wird im Laufe des Abends immer gesprächiger und wir erfahren allerhand zum Thema Weinbau. In seinem Bio-Weingut experimentiert er gerne mit neuen Sorten und pilzwiderstandsfähigen Züchtungen, er lässt uns teilhaben an seinen Gedanken zur Anzahl der Längen und den sich daraus ergebenden Zuckergehalt der Trauben je nach Rebsorte. Der Klimawandel verunmöglicht Veltliner aus dieser Gegend, die Rebstöcke weichen anderen Sorten. Im benachbarten Ungarn wurden noch vor Kurzem 20-Liter-Kanister für die Wein-Wochen-Ration abgefüllt, während sich in Österreich der Gesundheitstrend „kein Alkohol“ mehr und mehr am sinkenden Weinabsatz bemerkbar macht. Ein gewisser Wehmut ist herauszuhören. Zu guter Letzt erzählt er uns von seiner selbstgebauten Kanone, die jährlich zu Silvester mit Schwarzpulver gefüllt und gezündet wird. Nach ein paar Plauderstunden ziehen wir uns für die Nachtruhe zurück und ich bin durchaus froh, dass die hier wohnhaft gewesene Rotknie-Vogelspinne vor 5 Wochen verstorben und die von der Tochter heißersehnte Königspython noch nicht eingezogen ist.
Csaterberg
Am nächsten Tag (9.2.2025) wandern wir – nicht ohne vorher natürlich noch einen Weineinkauf zu tätigen – auf Asphalt aus Eisenberg hinaus und sind froh als wir endlich auf einen Waldweg abbiegen dürfen. Es geht durch den Föhren-reichen Herrschaftswald zum Csaterberg, wo uns wieder eine asphaltierte Straße in Empfang nimmt. Hier treffen wir auf einen der wenigen Wanderwege der Region – ein Literaturweg mit Stationen zum Verweilen. Die Landschaft breitet sich als liebliches Hügelland mit viel Weinbau vor uns aus. Die Kellerstöckl reihen sich entlang der Straße auf – eines uriger als das andere. Eine wirklich malerisch-bezaubernde Gegend, die zu einem herbstlichen Ausflug zur Lesezeit einlädt.
Von Fidisch zu Fidisch
Auf der Straße geht es hinunter nach Kohfidisch, wo wir im Gasthaus Landauer unsere Bäuche mit Suppe füllen können. Das ist nicht selbstverständlich – denn die Mittagessen sind hier abgezählt, weil im Voraus bestellt (aber natürlich nicht von uns). Die allerorts üblichen frühschoppenden Herren gibt es auch hier, doch sie sind kaum sichtbar. Sie haben sich in ein finsteres Zimmer mit Fernseher zurückgezogen und sind hochkonzentriert bei der Ski-WM-Abfahrt der Herren in Saalbach dabei.
Auf der Straße geht es von Kohfidisch weiter nach Kirchfidisch und an der Hottersiedlung vorbei. Das freut unsere Lauf-Bekannte Doris Hotter ganz besonders. In der WA-Laufgruppe wird in Echtzeit darüber spekuliert, wie viele Hotters dort wohl leben und Doris findet im Internet sogar einen Bericht zu einer Hotterwanderung in Kirchfidisch. Ja, man könnte fast meinen, unsere Laufgruppe ist mit von der Partie.
Federnder Waldweg – monotone Straße
Nach Kirchfidisch gelangen wir schnell in den Punitzer Gemeindewald, wo wir endlich auf angenehmen Wegen unterwegs sind. Bald erreichen wir das menschenleere Punitz und trotten von dort viele, viele Kilometer auf – Überraschung – Asphalt nach Güssing. Das militärische Sperrgebiet auf der anderen Straßenseite kann unsere Stimmung auch nicht unbedingt heben. Abwechslung bringt lediglich der schöne Anblick der Burg Güssing wenige Kilometer vor dem Ziel. Nun treffen wir auch auf die ersten Spaziergänger in zwei Tagen und ein älterer Herr mit Weitwandererfahrung plaudert mit uns ein paar Minuten. Auch sonst sieht man kaum Menschen in den Dörfern. Wer einsam wandern möchte, ist hier gut aufgehoben.
Güssing, immerhin Bezirkshauptstadt, ist natürlich belebter. Wir stärken uns in einer Pizzeria. Andrea düst zum Bus nach Jennersdorf, während wir noch einem GC in Burgnähe nachjagen und dann den Bus nach Wien erwischen. Ein Blick zurück auf die abendliche Burg hoch über der Stadt zeigt diese umrahmt mit einer Art „Kanten-Dach-Beleuchtung“. Nun ja, das nächste Weihnachtsfest kommt bestimmt…
Carpe diem
Exakt einen Monat später (8.3.2025) steigen wir in Güssing wieder aus dem Bus und starten am Hauptplatz die nächste und vorletzte Etappe auf der Burgenland-Route des Österreichischen Weitwanderweges 07. Schon während der Fahrt ist das Thermometer von 9°C auf 14°C geklettert und im Laufe des Tages soll es noch frühlingshafter und sonnig werden – eine Wohltat nach dem langen Winter!
Bei der Klinik Güssing treffen wir unsere Mitwanderin Andrea, sie hat sich einen Kilometer gespart und wird während des ganzen Tages deshalb auch viel frischer aussehen als wir. 😉 Andrea geht heute am 07er quasi nach Hause – und wir begleiten sie. Im Güssinger Krankenhaus habe ich vor 47 Jahren und 76 Tagen unter den wachsamen Augen der Hebamme Tóth das Licht der Welt erblickt. Noch heute amüsiert mich der Umstand, dass ausgerechnet jemand mit einem Namen, der so ähnlich klingt wie „Tod“, Menschen ins Leben hilft. Schon am Anfang ist das Ende gewiss, aber die Zeit dazwischen ist zu gestalten. Für mich ist das seit jeher ein Aufruf, die Lebenszeit zu nutzen. Danke an Hebamme Tóth.
An einem Tag vom Stremtal via Lafnitztal ins Raabtal
Auch an diesem Wochenende wartet sehr viel Straßenbelag auf fast 60 km auf uns. Am Ende werden eine Scheuerstelle am Zeh (Markus), schmerzende Zehen (Andrea) und eine Schienbeinreizung (Marlies) auf der Asphalt-Rechnung stehen. Gleich nach Güssing kreisen zwei Reiher über uns (immerhin sind es [noch] keine Geier!), die in den nahen Fischteichen unterhalb der Burg wohl reiche Beute finden.
Der Wanderweg geht zunächst entlang der Bundesstraße und zweigt dann ab nach Langzeil, wo meine beiden Mitwandernden in der Nähe der Kapelle auf Schatzsuche gehen. Endlich dürfen wir von der Straße auf einen Pfad abbiegen, nur – diesen Pfad gibt es nicht mehr. Dichtes Brombeergestrüpp hat sich hier breit gemacht und zwingt uns, über eine steile Wiese abzusteigen um wenig später wieder auf Asphalt zu landen. Neustift ist schnell erreicht und wir gehen zügig weiter nach Poppendorf. Auf der schmalen Straße herrscht Hochbetrieb und Autofahrer*innen kürzen hier offensichtlich gerne ab. Sehr auffällig sind große Abfallmengen am Straßenrand. Alle paar Meter trifft man auf achtlos weggeworfene leere Getränkedosen, Wasserflaschen und McDonalds-Säcke. Dass hier auf Schildern darum gebeten wird, keine Dreck-Schleuder zu sein, ist scheinbar dringend notwendig. Das Flaschen- und Dosenpfand wird die Situation hoffentlich verbessern.
In Poppendorf angekommen, steuern wir das Gasthaus Gibiser für eine kleine Stärkung an. Etwas irritiert lassen wir die Finger von der vor 4 Jahren abgelaufenen Maggi-Würze am Tisch und ich beschäftige mich lieber mit der zur Gulaschsuppe servierten steirischen Langsemmel, die hier im Süden ganz typisch, aber in Wien überhaupt nicht anzutreffen ist. Der Dialekt der Gäste („Dej Weirejbm woxt wia da teifl.“) ist mir sehr vertraut. Wir sind jetzt im Lafnitztal und ich zu Hause – Idiom und Semmelform bestätigen es zweifelsfrei. Als wir nach einem Stempel fragen, scherzt der Wirt über unsere offensichtliche Arbeitslosigkeit und meint nur „Gejts stempln?“.
Kurz nach Poppendorf passieren wir auf einer Überführung die zukünftige S7 und kommen so zu ein paar extra-Höhenmetern. Etwas später überqueren wir die Lafnitz, die hier schnörkellos Richtung Ungarn fließt, und betreten den Naturpark Raabtal, ein Natura 2000 Schutzgebiet. Ziemlich monoton geht es durch Felder, aber immerhin zeitweise auf Schotter, nach Rosendorf, wo sich die Straße beginnt durch abwechslungsreiches Hügelland zu schlängeln. Nach einigen Höhenmetern gelangen wir in die Streusiedlung Krobotek und von dieser alsbald nach Maria Bild zur Wallfahrtskirche. Das Landrasthaus Maria Bild ist in der Nachmittagspause. Wir kommen kurz vom Weg ab, finden ihn wieder und werden dennoch von einem vorbeikommenden, besorgten Autofahrer gefragt, „Hobts eich vairrt?“.
Auf einem feinen Waldweg geht es nun schnurstracks nach Weichselbaum und über die Gleise. Andrea verabschiedet sich kurz darauf und nimmt den direkten Weg nach Rax, während wir noch die Raabrunde in der abendlichen Sonne mitnehmen und erst auf Höhe der Meistergasse nach Norden Richtung Rax abbiegen.
Wir übernachten bei Andrea und Karli, und Tobias zaubert für uns ein wunderbares Kürbisrisotto mit Bohnenschotensalat auf die Teller – ein Hochgenuss nach dem Kilometerbolzen auf Asphalt.
Grenzgänger
Nach einem schmackhaften Frühstück vom ausladenden Büffet wie im 4-Sterne-Hotel, wandern wir die 2 km zurück zur Raab und zum 07er, kurze Zeit später überqueren wir den Fluss. Schnell sind wir im sehr herausgeputzten Künstlerdorf Neumarkt und schauen ein paar Pferden zu, wie sie in einer Führanlage ihre Runden drehen. Ob ihnen das Spaß macht? Noch vor St. Martin biegt der Weg links ab und wir machen (auf Asphalt) Höhenmeter hinauf nach Eisenberg an der Raab (nicht zu verwechseln mit jenem an der Pinka). Diese Streusiedlung wurde Anfang der 50er Jahre unter Katholiken bekannt, als sich in einem Stück Rasen ein Kreuz abzeichnete, was als eine Art religiöser Offenbarung gedeutet wurde. Heute sieht man dort etwas Gras mit Betonplatten eingefasst und mit schmiedeeisenem Zaun bewehrt.
Unser Weg führt weiter nach Oberdrosen, wo es an Straßenlaternen sonderbare Vorrichtungen mit Münzschlitz gibt und wir uns fragen, ob man hier tatsächlich 50 Cent einwerfen muss, wenn man abends eine Beleuchtung der Straße wünscht. Es bleibt für uns ein Rätsel. Wir passieren einen Garten mit einem riesigen Bambus-Hain. In 100 Jahren wird von Oberdrosen wohl nichts mehr übrig sein und der Bambus wird die Herrschaft übernommen haben. Von Oberdrosen geht es nun direkt zum Dreiländereck Slowenien, Ungarn und Österreich, das mit einem Stein und Fahnen gekennzeichnet ist. Und ebendort rennt ein prächtig-flauschiger Fuchs vor unseren Augen von Ungarn nach Österreich. Das Landkind Andrea ist ganz aus dem Häuschen, ist es doch ihre erste Fuchsbegegnung überhaupt. Für uns abgebrühte Städter ist der Fuchs was ganz Alltägliches. Letzten Herbst haben wir den Ottakringer-Fuchs im Schnitt zweimal pro Woche im Grätzl gesichtet. Ja, einmal war er sogar dreist genug, in der U3-Station Ottakring einen Spaziergang zu machen. Wenige Tage später wurde er am Brunnenmarkt gesehen und war der Held der Lokalpresse.
Der Frühling ist nicht mehr aufzuhalten
Die blühende Flora ist schon sehr viel abwechslungsreicher als noch im Februar. Allerorts zeigen sich Primeln, Schneeglöckchen und Ehrenpreis. Die männlichen Palmkätzchen haben schon ihr gelbes Pollenkleid angezogen und auch der Gundermann zeigt seine hübschen lila Blüten. Einige Gelbsterne am Wegesrand können wir bewundern, aber nur zwei Dirndl-Bäume in Vollblüte kommen uns unter. Ansonsten ist violett die dominante Farbe: ein Seidelbast-Strauch, Lungenkraut und sogar ein kleines Immergrün sorgen für Farbpracht entlang des grauen Asphalts.
Seit dem Knospen-Bestimmungskurs in Ossiach versuche ich das Erkennen von kahlen Bäumen und Sträuchern zu üben. Aber in den letzten beiden Tagen war diesbezüglich die Bilanz eher traurig – Andrea hat eindeutig die Nase vorne, wenn es um Laubhölzer geht, die auch in ihrem Garten vorkommen. Da braucht es eindeutig mehr Praxis. Vereinzelt sind die Knospen schon sehr drall oder erste Blattspitzen brechen aus den Knospenschuppen hervor. Der Frühling steht vor der Tür und der nächste Winter zum Knospen-Erkennen kommt bestimmt.
Das Burgenland in der Tasche
Nun folgen wir für einige Kilometer dem Grenzweg im Niemandsland zwischen Österreich und Slowenien – endlich ein wunderschöner Waldweg zwischen den Grenzsteinen. Auf der slowenischen Seite treffen wir auf die vertrauten roten Wegweiser und auch ein rot-weißer Donut ist auf eine Buche gepinselt. Im Grenzgasthaus Bonisdorf machen wir unsere Mittagsrast. Andrea hat Probleme mit ihren Zehen und fährt nach Hause, während wir die nächsten Kilometer auf Asphalt in Angriff nehmen. Bald sind wir in Krottendorf und auch Kalch, die südlichste Siedlung des Burgenlandes, wird schnell erreicht. Von hier ist es nun ein Katzensprung (bergauf) ins steirische Sichauf, wo die burgenländische Variante des Österreichischen Weitwanderweges 07 in die steirische Hauptroute mündet. Am Kreuzungspunkt machen wir bei der ersten Tafel der Burgenland-Variante ein Selfie und treten den Rückweg nach Kalch an, wohin wir uns, aus Ermangelung eines Öffentlichen Verkehrsmittels am Sonntag, ein Burgenland-Anrufsammeltaxi (BAST) bestellt haben. Der freundliche Tiroler BAST-Fahrer bringt uns nach Jennersdorf, wo wir den Bus nach Güssing nehmen und wenige Minuten nach Ankunft in den Bus nach Wien wechseln. Das Burgenland können wir am 07er jetzt abhaken.
P.S.: am Montag meldet Andrea, dass es „im Süden“ stürmt und regnet.