
Der Tag des Denkmals wird jährlich im Herbst vom Bundesdenkmalamt ausgerichtet und ist eine beliebte Möglichkeit, hinter sonst oftmals verschlossene historische Türen und alte Mauern zu blicken. Interessierte in ganz Österreich nützen die Gelegenheit, bei bekannten und weniger bekannten Denkmälern vorbeizuschauen und Wissenswertes zu den geschichtlichen Schätzen zu erfahren. Und das taten heuer 48.000 Menschen bei etwa 300 Denkmälern.
Auch wir gehen gerne an diesem Festtag des Denkmalschutzes auf Entdeckungsreise. In den vergangenen Jahren nahmen wir an einem Tisch im Bridge-Club-Wien in den Räumen einer von Adolf Loos gestalteten großbürgerlichen Wohnung Platz, stöberten wir in den als Vorlagen für Denkmäler und Fassaden dienenden originalen Gipsmodellen im Keller der Hofburg, schauten wir hinter die Türen des Globen- und Papyrusmuseums, entdeckten wir den jüdischen Friedhof Seegasse hinter dem Pflegeheim Rossau, staunten wir über den Jugendstil in Otto Wagners Postsparkasse, rätselten wir über die Abgründe einer Religionsgemeinschaft mit Sektencharakter, sahen wir den Mitarbeiterinnen der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Bundesdenkmalamts im Arsenal bei ihrer Arbeit über die Schultern und schlenderten wir von Gruft zu Gruft in der jüdischen Abteilung am Zentralfriedhof. Als wir den Tag des Denkmals einmal ganz verschwitzt haben und das Wochenende nicht in Wien, sondern in der Südoststeiermark verbrachten, ergab sich schließlich doch noch eine Chance an einer mehrstündigen Führung zu den historischen Spuren der Verteidigungsanlagen in Fürstenfeld teilzunehmen.
Heuer war unser Ziel das Wiener Ziegelmuseum in Penzing. Den Museumseingang ziert ein Schild mit der Aufschrift „Gut Brand“. Als Brandgeschädigte von vor nicht einmal einem Jahr trete ich mit gemischten Gefühlen durch die Tür. Wie kann man sich denn sowas wünschen? Im ersten Raum nimmt uns an diesem Vormittag Dr. Gerhard Zsutty in Empfang. Er führt uns in den nächsten 2 Stunden kenntnisreich durch das Museum, welches – ganz offensichtlich – sein liebstes Steckenpferd ist. Er liest die Ziegel wie Bücher, spricht über Ziegelzeichen, über Symbole, Initialen und Wappen, zeigt uns die Vitrine mit den Ziegler-Herzen und verschweigt uns auch nicht die wenig romantische Erklärung dazu.
14.000 Ziegel beherbergt das Museum aktuell, wovon etwa 5.000 bisher identifiziert wurden. Besondere Gustostückerl werden selbstverständlich angesprochen – wer hätte sich gedacht, dass ein Fisch auf einem Ziegel für den Markt Fischamend steht oder ein Ziegel mit den Symbolen Winkel und Zirkel gar nichts mit Freimaurerei zu tun hat? Wie in einer Bibliothek sind die Ziegel mit ihrer Inventarnummer in Reih und Glied in Regalen geschlichtet. Herr Zsutty ist ganz in seinem Element, kennt er sich hier doch aus wie in seiner Westentasche. Stets ist er besorgt, dass ob des großen Andrangs bei dieser Führung nicht jede*r Teilnehmer*in alles im Detail sehen könnte.
In den weiteren Räumen und im Keller sind Modelle zu den verschiedenen Ziegelofentechniken zu sehen und ihre Entwicklung über die Jahrtausende nachzuvollziehen – der älteste Ziegel des Museums ist sage und schreibe 4.000 Jahre alt.
An einer nachgebauten Arbeitsbank werden die Begriffe „Sandler“ und „Katzelmacher“ erläutert. Die heute abwertende Bedeutung dieser Worte wird ihren Ursprüngen nicht gerecht. Der Sandler befeuchtete die Ziegelmodel und streute sie mit Sand aus, sodass der nun – meist von Frauen – hineingefüllte Lehm beim Stürzen der Model sich wieder gut herauslösen konnte. Der Sandler hatte in der Ziegelei also eine nicht unwichtige Funktion, auch wenn diese Position stets ungelernte Menschen innehatten.
Als italienische Ziegelmacher nach Norden kamen und ihre Methode der mit Lehm zu füllenden Holzkästen mitbrachten, übernahmen hiesige Ziegeleien diese geschätzte Technik, denn sie war äußerst praktisch. Die italienischen Ziegler nannte man daher „Kastenmacher“, eine Verballhornung ergab dann letztlich den heute wenig schmeichelhaften Ausdruck „Katzelmacher“ für unsere südlichen Nachbarn.
Eine besonders nette Episode trug sich beim Burgtor zu. Herr Zsutty war eines Tages spazierend unterwegs und beobachtete die Baggerarbeiten zur Errichtung eines Denkmals. Die Schaufel förderte Ziegelsteine mit dem Aufdruck „KKF“ zutage. Sofort erkannte der Ziegelliebhaber seine Chance, erzählte dem Baggerfahrer von der Besonderheit dieser Steine und bat um ein Exemplar für das Museum. Der Baggerfahrer antwortete auf diese Bitte großzügig und nicht ganz uneigennützig, der Herr könne gerne ALLE Ziegel mitnehmen, ersparte er sich so ja die Fahrt zur Deponie. Herr Zsutty ließ sich das nicht zweimal sagen und brachte in 3 Fuhren die roten Steine ins Museum. Die Abkürzung KKF steht für Kaiser-Königliche Fortifikation – die Ziegel waren also Teil der alten Stadtmauer, die die Innere Stadt vor dem Ringstraßenbau umgab. Im Museum kann man nun eine Nachbildung der Stadtmauer mit diesen originalen Ziegeln bewundern.
Zu guter Letzt werden noch Begriffe wie Terrakotta („gekochte Erde“) aus Italien und Backstein aus Deutschland geklärt. Es sind einfach nur andere Bezeichnungen für Ziegelsteine – mit ganz klarem Bezug zur Küche, musste der Ziegel zum Härten ja schließlich in (Back)öfen gebrannt werden. Ein kleiner Hunger stellt sich inzwischen auch bei uns schon ein. Wir verlassen die Museumsräume und ein letzter Blick fällt auf das Schild „Gut Brand“. Nur ein gut gebrannter Ziegel aus geeignetem Rohstoff ergibt in weiterer Folge ein stabiles Bauwerk. Kein Wunder also, dass die Ziegler sich bis heute „Gut Brand“ wünschen.
Den Nachmittag verbringen wir bei einem kurzweiligen Rundgang entlang der ehemaligen Universitätsbauten (1624-1850) mit der Leiterin des Universitätsarchivs Dr. Nina Knieling im alten Universitätsviertel. Sie entführt uns in die Welt der Jesuiten zur Zeit der Gegenreformation und ihren immensen Einfluss auf das damalige akademische Leben. Wir betrachten die Fassade des alten Universitätsgebäudes am Dr. Ignaz-Seipel-Platz 2, in dem heute die Akademie der Wissenschaften untergebracht ist, und begeben uns gedanklich in das Revolutionsjahr 1848. Nach Niederschlagung der Studentenrevolte wurde in diesen edlen Hallen des Wissens eine Kaserne untergebracht- mehr Gegensatz geht kaum. Wir besuchen den Innenhof des Jesuitenkollegs und die barocke Jesuitenkirche, sowie das Jesuitenrefraktorium – also den ehemaligen Speisesaal der Mönche. Schließlich werfen wir noch einen Blick auf die beeindruckenden Deckenfresken im Lesesaal des Archivs.
Zum Ausklang des Tages treffen wir Danielle und Jordi im Café Diglas. Noch ganz verzückt von den spannenden Erlebnissen, holen uns die ersten Hochrechnungen zur Nationalratswahl wieder in die ungemütliche Realität der Jetztzeit zurück. Wann wird der Mensch aus der Geschichte lernen?
Sehr interessanter Artikel! Nicht nur hab ich gelernt, wo “Sandler” und “Katzelmacher” herkommen, ich hab auch einen neuen Punkt auf der Liste von Museen die ich mal besuchen möchte. 🙂