Am Roten Weg der Via Alpina durch die südliche Schweiz (R82-R101)
Der Auftakt zu den Westalpen führte uns heuer auf etwa 340 km und 18 Etappen in vier Schweizer Kantone und auf eine 24-stündige Stippvisite nach Italien. Wir erlebten höchste Gastfreundschaft, erhabene Schönheit, tausendjährige Handwerkskunst, spektakuläre Wege am und über dem Abgrund, praktische und humorvolle Kreativität und vieles mehr. Und das abwechselnd in den Sprachen Deutsch, Italienisch, Französisch, und natürlich in unzähligen lokalen Dialekten.
Es ist ein nasser Auftakt – der Himmel weint. Vielleicht ist er traurig, weil wir die Ostalpen verlassen? Die Wanderstunden sind zunächst geprägt vom Wechsel zwischen Talort und Bergkette, Talort und Bergkette, Talort… später wird es mehr Höhenwege entlang großer, breiter Täler geben – mal mit mehr, mal mit weniger Höhenmetern. Am Ende werden über 18.500 Hm zusammengekommen sein, sowohl bergauf als auch bergab (da sogar ein bisschen mehr). Aber gehen wir zurück zum Start…
Von Innerferrera nach Isola – „Napoli“ gibt es nicht nur in Süditalien
Gleich am ersten Tag geht es von Innerferrera (1.480m) im Averstal (CH) über die Grenze am Pass da Niemet (2.294m) nach Isola (1.239m) im Valle San Giacomo (ITA).
Kurz nach dem Pass erreichen wir um die Mittagszeit das Rifugio Bertacchi und trotz des Regenwetters kommt gleich italienische Lebensfreude auf. Hüttenwirt Luigi stellt sich und sein kleines Hütten-Team per Handschlag vor. Das hiesige Pranzo italiano ist ein guter Teller hausgemachter Pasta mit Speck und frischen Bergkräutern und zur Trocknung unserer Kleidung wird extra für uns gleich mal das „Napoli“ hervorgeholt. So nennen sie hier eine Wäscheleinenvorrichtung, die man sich sonst wohl in Neapel draußen ans Fenster hängt. Gestärkt steigen wir ab ins Valle San Giacomo, an dessen Talschluss im Norden sich die Asphaltserpentinen zum Splügenpass schlängeln. Der Splügenpass ist ein ganz besonderer Ort im „Zentrum der Alpen“, liegt er doch am Schnittpunkt zwischen den Ost- und Westalpen sowie am Alpenhauptkamm und somit auch zwischen den Nord- und Südalpen. Wir lassen den Pass aber rechts liegen und steigen auf einem alten, breiten Säumerweg durch die steilen Felswände der Cardinelloschlucht ab, die schon die Römer und später Napoleons Truppen durchschritten haben – in den Alpen ist man immer auch geschichtsträchtig unterwegs. Auf Straßen und Wanderwegen entlang des Flusses Liro erreichen wir schließlich das Dorf Isola (1.239m) am Lago d‘Isola.
Von Isola nach Mesocco – Was machen eigentlich Weitwandernde bei Autobahnraststätten?
Nach unserer einzigen Übernachtung in der Lombardei freuen wir uns auf einen guten italienischen Cappuccino am Morgen in Isola und wundern uns nicht schlecht über eine Tasse geschäumter Milch mit einem ganz zarten Hauch von Braun. Da ist wohl eine Kaffeebohne am Häferl vorbeispaziert. Wir fühlen uns dennoch ausreichend gestärkt die Überschreitung der Tambogruppe über den Passo de Baldiscio (2.350m) zu wagen. Es geht also von der Haustür weg wieder steil nach oben. Nach Stunden ist der Pass erreicht, wo für die italienischen Wegewarte offensichtlich die Arbeit getan war, denn auf den nächsten 1,5 km bis zur Grenze ist weder ein Weg noch eine Markierung auszumachen. Wir irren und suchen herum. Bei der brückenlosen Querung eines Flusses falle ich ins Wasser, was einen kompletten Garderobenwechsel zur Folge hat. Kurze Zeit später treffen wir auf einen ganzen Berghang gespickt mit hunderten Exemplaren von seltenem Purpur-Enzian (Gentiana purpurea) – Glück und Pech liegen oft eng bei einander. Die Kleidung trocknet. Die Schweizer sorgen an der Grenze mit einer ca. 60 x 40 cm riesigen Weiß-Rot-Weiß Markierung auf einem weithin gut sichtbaren Felsen für die nötige Orientierung im vernachlässigten italienischen Grenzraum und der Enzian lässt sich geduldig aus allen Perspektiven ablichten („Flugmodus“ kommt auf der Via Alpina nicht in Frage).
Ab nun auf bestens markiertem Weg steigen wir in ausgesprochen steilem Gelände ab ins Valle Mescolcina oder Misox, wie es die nur wenigen deutschsprachigen Schweizer in diesem Tal nennen – obwohl noch Graubünden, überwiegt im Misox und auch im nächsten Tal Val Calanca schon das Italienische, denn scharfe Sprachgrenzen gibt es hier nicht.
Unsere erste Station ist Pian San Giacomo (1.205m) und wir stellen alsbald fest, dass man das Misox wohl auch „Tal der 1000 Straßenschleifen“ nennen könnte, schlängelt sich nicht nur die Landesstraße mit vielen Zufahrten, sondern auch die Autobahn A13 mit unzähligen Auf- und Abfahrten und Brücken durchs Tal Richtung Norden, wo am Talschluss der San Bernardino die vielen Fahrzeuge in seiner Tunnelröhre aufnimmt bzw. ausspuckt. Und natürlich führt auch eine Asphaltpiste über den Bernhardinpass. Auch wir profitieren auf kuriose Art und Weise von dieser umfassenden Infrastruktur, denn der Wanderweg geht direkt bei einer umgrenzten Autobahnraststätte vorbei, an deren Rand ein kleiner Imbissstand zur Einkehr einlädt. Nur, da ist ein Absperrzaun zwischen uns und der Stärkung. Der Standbetreiber aber versteht unsere Not und reicht uns gerne zwei Espressi durch den Maschendraht. Während der Koffeinspiegel sein gewohntes Niveau erreicht, wandern wir weiter und kommen wenige Stunden später in unserem Tagesziel Mesocco (770m) an, wo wir ausgerechnet jenen Standbetreiber beim Ausladen seines Autos treffen – er hat uns sofort wiedererkannt. Ein Quartier lässt sich dank der freudigen Hilfsbereitschaft der örtlichen Bar und ihrer bemühten Menschen gleich im benachbarten Haus finden und den Abend beschließen wir mit einem ausgezeichneten Essen, und das, obwohl die Wirtin Valeria heute eigentlich blaumachen wollte.
Von Mesocco bis Biasca – Die Seilbahn als Teil des Öffi-Netzes
Nun liegen die Adula-Alpen vor uns, die wir 3 Tage lang durchqueren werden. Von Mesocco (770m) geht es über mehrere Almen also wieder steil hinauf zur Bocchetta de Trescolmen (2.161m). Nach einem langen und teilweise mühsamen und steilen Abstieg erreichen wir das erste Bergdorf des Val Calanca: Valbella. Im Val Calanca fällt sofort auf, dass es einerseits wenig Infrastruktur und daher viel Ruhe gibt (es gibt ein paar kleine Bergdörfer entlang einer einzigen Straße) und es andererseits ein sehr enges Tal mit steil aufragenden Bergen ist. Von Valbella geht es nochmal 12 km hauptsächlich auf Asphalt gemächlich talauswärts und wir passieren einige schöne kleine Dörfer bis wir in Selma (914m) ankommen.
Die Wirtin der „Ristobar Al Pont“ heißt uns für die Nacht willkommen und verwöhnt uns gleich mit Eselwurst und Käse aus dem Tal, sowie einer Lasagne. Sie freut sich über Grüße von der Wirtin Valeria aus dem Misox, die wir ihr mitgebracht haben. Der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung sind in dieser Gegend wichtig, erklärt sie uns. Man kennt sich, man hilft einander. Man hatte es heuer nicht leicht. Das katastrophale Wetter hat die Gäste ausbleiben lassen. Eine gute Sommersaison ist für sie aber essentiell. Um ihre Stimmung nicht weiter zu trüben, erzählen wir ihr nicht von der Routenänderung der Via Alpina, die hier eigentlich nicht mehr durchgeht. Und am Morgen kaufen wir ihr auch ein hübsches T-Shirt aus ihrem Souvenirshop ab. Für mich als Belohnung für die zwischenzeitlich absolvierten zwei Jahre im Italienisch-Kurs seit dem Zimmernot-Sprach-Debakel von 2022 in Tirano, als partout niemand mehr Englisch verstehen konnte und wir uns ohne Nachtquartier ziemlich gestrandet fühlten. In den italienischsprachigen Regionen haben diese Sprachkenntnisse uns heuer einiges erleichtert.
Als Nächstes geht es zu Fuß nach Landarenca (1254m) hinauf. Hierher kommt man nur per Wanderweg oder mit der Self-Service-24-Stunden-Seilbahn von Selma (915m) aus, denn in das kleine Dorf führen keine Straßen und die Seilbahn dient der hier wohnenden Bevölkerung als wichtiges Verkehrsmittel zwischen Tal und Ort. Für uns geht es weiter zur Bocchetta di Pianca Geneura (2.370m), wo wir vom Kanton Graubünden in den Kanton Tessin (oder Ticino) wechseln, die Sprachgrenze haben wir ja schon weiter östlich überschritten.
Wir sind schon lange unterwegs und die unrealistischen Zeitangaben auf den Wegweisern tragen nicht unbedingt zu unserer Motivation bei. Doch ein weiterer Übergang in unwegsamem Gelände wartet auf uns und so geht es weiter zum Passo del Mauro (2.428m). Von dort scheint es ein Katzensprung zur Hütte zu sein, doch anspruchsvolles Blockwerk im Abstieg nach bereits 7 Stunden Gehzeit, lassen uns nur langsam vorwärtskommen. Wir sind müde. Die Sonne steht tief und taucht das karge Hochplateau in sanftes Licht, als wir bei der Capanna Cava (2.066m) letztlich ankommen und uns zur Ruhe begeben können. Die gemütliche Hütte, hat alles was man braucht – Nahrung (Zwiebel-Brot-Suppe, Lasagne, Zitronenkuchen), zwei freie Lagerplätze, liebe Menschen, sogar eine Dusche und – WLAN (!!!).
Am nächsten Tag sieht die Welt schon wieder ganz anders aus und die Anstrengung von gestern ist (fast) vergessen. Jetzt braucht es nur mehr einen kleinen Anstieg zur Forcarella di Lago (2.256m) und dann geht es runter, runter, runter nach Biasca (301m), wo wir am tiefsten Punkt unserer heurigen Wanderung einen wohlverdienten Ruhetag unter Palmen (!) einlegen.
Biasca – unser erster Ruhetag – Unter Palmen im Tessiner Heurigen
Biasca (301m) ist ein größeres Dorf mit ca. 6.000 Einwohnern. Es hat eindeutig mediterranes Flair mit seinen Palmen, Weinreben, Granatapfel- und Feigenbäumen und erinnert uns an Tirano. Damit wir auch nichts versäumen, informieren wir uns im Touristenbüro beim Bahnhof über die lokalen Sehenswürdigkeiten. Dort erfahren wir, dass es scheinbar nur zwei sehenswerte Orte hier gibt: einerseits einen wunderschönen Badeplatz oberhalb eines Wasserfalls, der über einen Kreuzweg zu erreichen ist, und andererseits zwei alte Kirchen, wovon eine wirklich alt, weil romanisch, ist.
Die Kirchen sind recht schmuck und vor allem die romanische Kirche San Pietro besticht durch interessante Fresken aus dem 15. und 16. Jh. einschließlich einer Darstellung des Heiligen Grals. Den Nachmittag verbringen wir badend in den wunderbar erfrischenden Gumpen der Froda, bevor sie unter einer romanischen Bogenbrücke als Wasserfall in die Tiefe stürzt.
Am Abend spazieren wir Richtung Norden an den Dorfrand, wo sich die sogenannten „i Grotti“ befinden. Dabei handelt es sich quasi um die Tessiner Variante von Heurigen oder Buschenschänken. Wir kehren bei „Il Grotto Petronilla“ ein und probieren Tessiner Merlot aus Porzellanschalen und essen dazu ein einfaches Gericht. Der Dialekt, der von der Betreiberin dieser Gaststätte gesprochen wird, ist für mich nur sehr fragmentiert verständlich. Hier fühlen wir uns deutlich wohler als im gestrigen Restaurant, wo man uns tatsächlich ein kalifornisches (!) IPA serviert hat – man könnte fast meinen, es gibt keine Handwerksbiere aus der Schweiz…
Die Tessiner Alpen fallen aus – Wegsperren ohne Ende
Jetzt würden 6 Etappen (R87-R92) durch die Tessiner Alpen folgen (Capanna d’Efra, Sonogno, Prato Sornico, Fontana, Robiei, Riale), doch die schweren Unwetter und mehrere Murenabgänge im heurigen Juni und Juli haben viel Zerstörung über die dortige Bevölkerung und Kulturlandschaft gebracht und einige Menschenleben gefordert. Fontana war besonders stark betroffen, das Val Bavona gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten. Alle Wanderwege auf zwei unserer Etappen sind aktuell noch gesperrt und Unterkünfte haben wegen der fehlenden Infrastruktur geschlossen. Auch in anderen Teilen der Schweiz erzählen uns Menschen von den verheerenden Folgen der Starkregenfälle und finden wir Teilsperren unserer Wege vor, die aber stets mit kleinen Alternativen umgangen werden können. Hier in den Tessiner Alpen ist das Ausmaß der Verwüstung aber von einer anderen Größenordnung. Ein weiträumiges Ausweichen ist hier notwendig.
Auf Abwegen unterwegs 1 – Trans Swiss Trail – Gib deinen Dingen ein zweites Leben
So entscheiden wir uns, für 3 Tage dem Trans Swiss Trail auf der sogenannten Strada Alta zu folgen. Es ist dies ein wunderbarer Höhenweg oberhalb des Valle Leventina stets den Südhängen der Gotthard-Gruppe entlang. Von Biasca (301m) geht es über den Fluss Brenno und den Ticino entlang flach nach Pollegio und dann steil bergauf bis wir uns auf ca. 1000m Seehöhe auf der Strada Alta einpendeln. Der Weg im Wald führt an alten, mächtigen Esskastanienbäumen vorbei. Wir passieren unzählige kleinste Bergdörfer, eines schöner als das andere. Die alten Kirchen haben alte Fresken. Auf der anderen Talseite ragen die Tessiner Alpen empor, um ihre Gipfel brauen sich dunkle Wolken zusammen und bald hören wir es donnern. Doch zu uns auf den Sonnenhang kommen nur vereinzelte Regenstriche, die schnell durchgezogen sind – von einem Gewitter bleiben wir verschont. Kurz vor unserem Tagesziel überraschen wir am Weg eine Kreuzotter, die gerade dabei ist, ihre Beute zu verschlingen. Die Kreuzotter büxt ob der Störung aus und lässt die tote Eidechse liegen. Fasziniert von diesem grausigen und doch ganz natürlichen Schauspiel gehen wir weiter und erreichen bald Anzonico (1.002m) und somit unser Tagesziel. Nach der Dusche und einer kleinen Rast spazieren wir zu einer Kirche mit Friedhof etwas außerhalb des Dorfes, denn MarkusG möchte dort einen Geocache heben, was er neuerdings stets eifrig entlang des Weges (nicht immer erfolgreich) versucht. Es ist Samstag und die familiär geführte Osteria bereitet sich auf ein kleines Dorffest am Abend vor. Auf Vorbestellung wird eine besondere Art von überbackenen Gnocchi serviert und ab 19 Uhr treffen die ersten Dorfbewohner*innen zum Aperitif ein. Wir sind mit unserem Abendessen schon fertig und genießen die feinen Abendstunden bevor wir uns in unsere putzige, ca. 6m² kleine Kemenate zurückziehen. Das einzige Fenster ist in die Eingangstür (!) integriert. Unser Zimmerchen war vermutlich in seinem früheren Leben ein Geräteschuppen. Upcycling funktioniert auch mit Häusern.
Auch am nächsten Tag geht der Höhenweg ab Anzonico (1.002m) ähnlich entspannt und angenehm weiter. Wieder werden kleine Dörfer passiert. In Calonico steht die Kirche etwas außerhalb des Ortes beeindruckend auf einem Felsen. Auf den Friedhöfen findet man entweder sehr alte und reich verzierte Grabsteine mit Skulpturen und Reliefs oder schlichte Metallkreuze neueren Datums. In einem der Dörfer kommt uns eine umgebaute Telefonzelle unter, die nun statt eines Telefons einen Defibrillator beinhaltet – sozusagen eine „Defi-Zelle“, also eine sehr brauchbare Nachnutzung der im Handyzeitalter obsolet gewordenen Telefonzellen. Auf unserem Weg fällt uns weiter auf, dass selbst diese kleinen Dörfer vom Postauto, so heißt hier der Linienbus im Öffentlichen Verkehr, angefahren werden, und das oft stündlich oder zumindest alle 2 Stunden. Die Tickets sind ohne Ermäßigung sehr teuer, aber die Busse von der Bevölkerung gut frequentiert und nie leer. Unser heutiges Tagesziel ist Osco (1.156m) und schon am Ortseingang fällt die Straßensperre Richtung Dorfplatz auf. Überraschung – es gibt ein Dorffest und von der örtlichen Jugend wird fleißig an Baumstämmen gesägt und von Jung und Alt werden Weinflaschen mit Ringen beworfen. Letzteres werden auch wir später versuchen, denn es gibt 3 Salametti – also praktische Jausenwürste für den Rucksack – zu gewinnen, wenn man es schafft, dass ein Ring am Flaschenhals einfädelt (leider ließ sich unser Proviant nicht aufbessern). In unserer Unterkunft schupft wieder eine beherzte Wirtin den Laden und verwöhnt uns mit fantastischen Speisen zum Abendessen. Unsere Tischnachbarin ist ebenfalls weitwandernd am Trans Swiss Trail unterwegs und geht in die entgegengesetzte Richtung bis Biasca. Ihr Gepäck lässt sie mittels organisiertem Transport von Unterkunft zu Unterkunft bringen – etwas neidisch betrachten wir am nächsten Tag ihren kleinen Tagesrucksack, während wir unsere „Schneckenhäuser“ auf die Schultern laden. Aber schnell ist die Episode vergessen und uns wieder bewusst, dass genau der Prozess des Reduzierens ein wichtiger Teil des Weitwanderns ist.
Am dritten Tag unserer Abwege geht es ab Osco (1.156m) wieder ähnlich weiter – schöner Höhenweg, stets Ausblicke auf die Tessiner Alpen, alte Kirchen. Wir treffen auch immer wieder Wanderer*innen. Der Trans Swiss Trail scheint also nicht unbeliebt zu sein. Zumindest in Teilstücken wird er offensichtlich gerne begangen, das hören wir zumindest bei den Gesprächen unterwegs. Generell ist es hier so, dass man gar nicht so oft auf Wandernde trifft. Trifft man dann doch welche, ist ein kleiner Plausch eine willkommene Abwechslung. Heuer treffen wir unterwegs niemanden, der auf der Via Alpina nach Monaco unterwegs ist. Tom, den wir vor 2 Jahren am Stilfser Joch getroffen haben, ist uns aktuell etwa 30 Etappen voraus. Das ist sehr schade, der Austausch fehlt uns.
In einem der Dörfer ist MarkusG wieder auf Geocache-Jagd, während ich bei einem Bauernhof raste und diverse Plaketten an der Stallwand studiere. Der Bauer hat mit seinen Tieren offensichtlich am „Gotthard-Open“ teilgenommen, einer Schweizer Meisterschaft für Erstmelkkühe und zwar in der Kategorie „Original Braunvieh“… was es nicht alles gibt! Nach zwei kleineren Wegsperren kurz vor dem Ziel und einem kleinen Umweg, erreichen wir Airolo (1.175m), eine durchaus größere Ansiedlung direkt am Gotthardtunnel und somit an der Autobahn A2. Außerdem gibt es hier den Gotthardbasistunnel für die Bahn und die Gotthardpassstraße, die bei Motorrädern und Fahrrädern sehr beliebt ist. Sprich, Airolo ist ein Verkehrsknotenpunkt und nicht unbedingt ein Ort großer Lebensqualität. Wir nächtigen in einer Rennrad-verrückten Unterkunft und unser Zimmer ist nach einer Kurve auf der Passstraße benannt.
Auf Abwegen unterwegs 2 – Sentiero dei passi alpini – „Beam mich hoch, Scotty“
Wir wechseln auf den Sentiero dei passi alpini und wandern von Airolo durch das Val Bedretto zur Capanna Corno-Gries, wo wir auf 2.338m Seehöhe für heuer unser höchstes Nachtlager beziehen. Fast den ganzen Tag haben wir das imposante Gotthardmassiv im Norden im Blick. Zwar ist diese Etappe durch die Leone-Gruppe lang und mit 1.845 Hm im Aufstieg auch anstrengend, doch macht sich das alleine schon der Hütte wegen bezahlt – das „Alpenraumschiff“, so wird es liebevoll ob seiner besonderen Architektur genannt, muss man gesehen und erlebt haben! Die alte Hütte trägt einen neuen Holzaufbau, alles ist praktisch und durchdacht. Das Erdgeschoss enthält die „Infrastrukturen“ Eingang, sanitäre Anlagen, Schuh- und Trockenraum. Der erste Stock besticht durch seine 360°-Panoramafenster und beherbergt die gemütliche Gaststube und die betriebsame Küche – nichts, was draußen geschieht, entgeht einem. So konnte selbst das Küchenteam die spektakuläre Hubschrauberbergung einer toten Kuh vom Nufenenstock beobachten. Ganz oben sind die Schlafräume. Hüttenwirt Thomas verwöhnt uns mit vegetarischen Pizzoccheri und Nachschlag gibt es so lange, bis alles weggegessen ist. Auch beim Frühstück setzt sich die Nachhaltigkeit fort: es gibt keinerlei Verpackung und es wird sparsam aufgelegt. Wer mehr möchte, bekommt auf Nachfrage mehr ohne Aufpreis – es sollen einfach keine wertvollen Lebensmittel weggeschmissen werden. So manches Hotelbuffet könnte sich hier viel abschauen! In Summe eine großartige SAC-Hütte – oder wie die Schweizer sagen würden: tiptop! Schade, dass das mit dem Beamen nicht geklappt hat.
Kleines Detail am Rande: wir sind am Ticino erstmals in Biasca entlanggewandert, heute wieder und sind letztlich an seiner Quelle angekommen, die etwas unterhalb vom Alpenraumschiff entspringt.
Zurück auf der Via Alpina – Rotorblätter schneiden durch die dünne Luft
Am fünften Tag stoßen wir etwas oberhalb (2.562m) vom Griespass wieder auf die Via Alpina und wechseln vom Tessin ins Wallis. Vor uns kriecht der Griesgletscher vom Blinnenhorn, darunter breitet sich der Griessee aus. Unser Wanderweg führt nun direkt durch Europas höchstgelegenen Windpark. Auf 2.500m stehen hier 4 Windräder mit allem, was dazu gehört: breite Anfahrtsstraßen und große Entladeplattformen. Wir lassen uns vom Rauschen der Flügel nicht irritieren und versuchen, die fabelhafte Aussicht auf die Berner Alpen und ihre beeindruckenden 4000er im Nordwesten zu genießen. Etwas näher im Norden rückt wieder eine Passstraße in den Blick: diesmal ist es der Nufenenpass. Wir „rollen“ (zu Fuß) bergab nach Ulrichen (1.347m) im Obergoms und betreten erstmals das Tal der Rhône, die von den Oberwallisern „Rotten“ genannt wird. Es ist wieder Zeit für einen Ruhetag.
Ulrichen – unser zweiter „Ruhetag“ – Beichtstühle und Minigolfplätze als Orte der Erholung
Das schöne Dorf Ulrichen hat trotz seiner nur knapp über 200 Einwohner eine mehr als ausreichende Infrastruktur für einen Ruhetag. Im Winter tummeln sich hier Langläufer*innen. Ein stillgelegtes Flugfeld zeugt von der früheren militärischen Nutzung des Rhônetals, Flugfelder dieser Art werden wir in den nächsten Tagen noch viele sehen. Eine halbstündlich getaktete Buslinie lädt auch zu Erkundungen der Nachbardörfer ein. So bewundern wir in Münster den „Dachhut“ des Kirchturms, rätseln in der Kirche über die Skulptur einer Frau mit einem Silberteller, auf dem sie (ihre?) zwei Brüste präsentiert, üben in Reckingen am Self-Service-Minigolfplatz das Einlochen, stellen fest, dass hier Sportgeschäfte nur im Winter geöffnet haben und fahren ein Stück mit der Matterhorn-Gotthard-Bahn. Zurück in Ulrichen stellen wir uns der Herausforderung einer Schnitzeljagd, die uns einen Hinweis gar im Beichtstuhl der Kirche suchen lässt. Am Abend sind wir von unserem „Ruhetag“ ganz erledigt, dabei haben wir den Sprung ins kühle Nass am Geschinensee sogar ausgelassen.
Ulrichen besteht hauptsächlich aus typischen Walserhäusern, die ursprünglich aus dem Obergoms kamen – mit gemauertem Untergeschoß und oben aus von der Sonne gebräuntem Holz. Es gibt Wohnhäuser, Speicher und Stadel – letztere haben im Zwischenbereich hölzerne Stützen und runde Steinplatten, auf denen das Obergeschoß ruht – dies soll Mäuse von den oberen Bereichen fernhalten. Viele dieser oft Jahrhunderte alten Häuser wurden zu Ferienwohnungen umgebaut und können gemietet werden. Häuser dieser Art begleiten uns ab sofort durch das ganze Tal.
Im Kanton Wallis wird viel Französisch gesprochen, doch im Bezirk Goms spricht man Deutsch und die Sprachgrenze nach Westen hin werden wir heuer nicht überqueren. Nichtsdestotrotz ist rund um uns schon viel Französisch zu hören.
Der Gommer Höhenweg mit Teilsperren – wenn sich GC-Owner ins Fäustchen lachen
Ab Ulrichen verläuft die Via Alpina am Südrand der Berner Alpen oberhalb des Schweizer Rhônetals. Am Gommer Höhenweg schauen wir hoch über dem Tal auf die Ansiedlungen in den Niederungen (Geschinen, Münster, Reckingen, Gluringen und Blitzingen). Im Süden recken sich die diversen „Hörner“ der Leone-Gruppe mit über 3000m in den Himmel. Der Höhenweg ist breit, schön zu gehen und – wie wirklich alle Wanderwege in der Schweiz – tiptop markiert. Zweimal müssen wir wegen Wegsperren auch weiter ins Tal absteigen um auf passierbaren Brücken Flüsse zu überqueren, denn die Unwetter im Frühsommer haben auch hier in den tiefeingeschnittenen Seitentälern große Schäden angerichtet. In Bellwald (1559m) angekommen steigen wir wieder ins Rhônetal ab um in Fiesch (1.049m) in der Jugendherberge zu übernachten. Zwischen Bellwald und Fiesch geht MarkusG aber noch auf die Suche nach ein paar besonders kreativen Geocaches. Wir halten bei einem Haus, denn hier soll laut Hinweisen ein Cache „nicht unter Steinen, nicht im Gebüsch und in 1,5m Höhe“ zu finden sein. Der Hausbewohner sieht, dass wir stoppen und fragt uns gleich ganz keck, ob wir denn den Geocache suchen würden. Schnell stellt sich heraus, dass er der GC-Owner von mehreren GCs in der Nähe ist. Nun, wo ist er also versteckt? Direkt vor mir, steht auf einem Stab ein kleines Häuschen mit der Aufschrift „WC“ in ca. 1,5m Höhe. MarkusG meint noch „das sieht verdächtig aus“ und schon mache ich das Türchen auf. Mit einem lauten Schnappen fällt das ganze Häuschen in seine Einzelteile auseinander und ich armer Tropf stehe da und habe sämtliche Hausteile an dünnen Fischerleinen verbunden von meiner Hand hängen, während eine Mausefalle am Stab mitsamt der Hausbasis verblieben ist. Von den Teilen lese ich die Botschaft „Hier ist der GC nicht versteckt – du musst weitersuchen“. Da hat jemand Humor. Während ich das Häuschen geduldig wieder zusammenbaue und Markus weitersucht, amüsiert sich der ältere Herr ganz wunderbar und erzählt uns, dass seine Caches die höchsten Favoritenpunkte der ganzen Gegend haben. Ja, das glauben wir gerne.
Großer Aletschgletscher – Schauen und Staunen
Was am nächsten Tag folgt, kann zu Recht als Königsetappe bezeichnet werden. Wir starten bei Finsternis um 6 Uhr morgens in ein kleines Seitental nördlich des Rhôhnetals und sehen bald auf die kleine Ortschaft Fieschertal. Nun beginnt der steile Aufstieg zur Burghütte (1.751m), wo wir uns einen Frühstückskaffee am Balkon gönnen, während der Hausherr mit einem mobilen Staubsauger-Rucksack am Rücken saubermacht. Wir betreten das UNESCO-Welterbe „Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch“. Auf den Fieschergletscher haben wir schon mal tiptop Ausblicke.
Doch es geht noch weiter hinauf und beim Märjelen-Stausee (2.370m) sehen wir zum ersten Mal auf den Großen Aletschgletscher, der sich von der Jungfrau-Gruppe 23 km Richtung Süden ausdehnt. Wir folgen dem Aletsch-Panoramaweg, der über gut 6 km entlang der Gletscherzunge traumhafte Ausblicke erlaubt und ständig zu Pausen einlädt, denn man kann sich nicht sattsehen an dieser atemberaubenden Pracht. Die Idylle vom Eisriesen trügt aber, denn auch der Aletschgletscher schmilzt dahin und wird laut Prognosen zum Ende des Jahrhunderts nur mehr 10% seines heutigen Volumens haben. Das macht traurig und nachdenklich. So mächtig und erhaben liegt er vor uns und doch ist er so zerbrechlich. Auf diesen überwältigenden Flecken Erde schauen wir natürlich nicht alleine. Es gibt entlang der Gletscherzunge gleich 4 Seilbahnen zu Aussichtsplattformen für Flip-Flop-Träger*innen. Und wer seine Sportschuhe anhat, wagt sich auf den Aletsch-Panoramaweg, wo auch wir unterwegs sind und entsprechenden „Gegenverkehr“ haben. Aber auch was man sonst noch sieht, ist nicht zu verachten: an der höchsten Stelle des Panoramawegs ist der Rundumblick auf 360° mit 3000ern und 4000ern gespickt – auch das Matterhorn ist dabei.
Unser Tag endet nach 11 ½ Stunden (Gehzeit knapp über 9 Stunden) und etwa 24 km in Riederalp (1.905m). Was für ein Erlebnis! Was für ein Tag! Noch ganz versunken in der grandiosen Schönheit, registrieren wir den Umstand, dass in Riederalp der höchstgelegene Golfplatz der Schweiz anzutreffen ist und hier tatsächlich auch fleißig am Handicap gearbeitet wird. Sachen gibt‘s…
Von Riederalp bis Leukerbad – die Qual der Wahl – Luftikus oder Finsternis?
Am nächsten Tag geht es über die Riederfurka (2.072m) in das Naturschutzgebiet Aletschwald und auf einer imposanten Hängebrücke (124m lang und 80m hoch, auf ca. 1500m) überqueren wir die Massa, die das Schmelzwasser des Aletschgletschers zur Rhône bringt. Wir steigen hinauf zur Kirche am Aletschbord (2.130m) und genießen noch ein letztes Mal eine schöne Fernsicht auf den Großen Aletschgletscher. Schnell sind wir auf breitem Weg in Belalp, und weiter geht es stets bergab auf schönen Wegen zum Safranzentrum Mund (1.188m). Heute Nacht schlafen wir, aus Ermangelung eines Quartiers in Mund, in Naters. Und wer bringt uns dorthin? Das Postauto natürlich. Und in der Früh auch wieder zurück nach Mund. Wir sind also zurück im Rhônetal.
Und es geht weiter auf einem schönen Höhenweg auf der heuer längsten Etappe mit ca. 28 km Länge über Ausserberg (1008m) nach Gampel-Steg (634m), diesmal den vor geschätzten 1000 Jahren von Menschen geschaffenen Wasserleitungen entlang. Suonen werden sie genannt und sie dienen noch heute der Bewässerung der Wiesen und Felder. Je weiter westlich wir im Tal kommen, umso trockener wird es und umso notwendiger brauchen die Menschen ein Wasserleitungssystem. Der Weg neben den Suonen ist teilweise sehr steil abfallend und an heiklen Stellen führt der Weg durch Felsdurchbrüche. An einer besonders ausgesetzten Stelle führen lediglich 2 Holzbalken und ein Seil die Wanderer in luftiger Höhe an der Suone vorbei. Wer hier weiche Knie bekommt, kann glücklicherweise über einen 1,5 km langen Stollen ausweichen. Wir wählen Stollen und Stirnlampe. Bald überblicken wir wieder das Rhônetal und genießen die Aussicht auf die im Süden liegenden Gletscher der Walliser Alpen. Nach vielen Stunden am Höhenweg müssen wir kurz vor Steg noch über eine kurze Hängebrücke, dann über einige Gitterstufen absteigen und noch durch einen Tunnel neben der Suone. In unserer Karte ist das nicht eingezeichnet, aber es schaut auch alles hier recht neu aus. In Gampel-Steg angekommen, suchen wir an diesem Montag länger nach einem Lokal mit Küchenbetrieb, werden aber schließlich fündig. Für die Übernachtung geht es nun mit der Seilbahn nach Jeizinen. In der Gondel treffen wir zwei Seilbahn-Pendlerinnen, die von der Zeitersparnis schwärmen – 7 min ganz entspannt mit der Seilbahn versus 22 min sehr kurvenreich und nervenaufreibend mit dem Auto. Außerdem bekommen Einheimische eine Seilbahn-Jahreskarte sehr günstig – quasi, eine Öffi-Förderung. In der Früh fahren wir mit der Seilbahn wieder zurück und eine der beiden Pendlerinnen ist auch wieder dabei.
Von Gampel-Steg geht es nun am Walliser Sonnenweg durch die pittoresken kleinen Dörfer Bratsch, Feschel, Guttet und Albinen und durch den Naturpark Pfyn-Finges. Kurz vor Leukerbad müssen die 100 Höhenmeter einer steilen Felswand über die sogenannten Albinenleitern abwärts überwunden werden. Alternativ dazu gibt es für MarkusG eine Tunnelpassage. Mit Leukerbad (1.411m), das im Dalatal, einem Seitental des Rhônetals Richtung Norden, liegt, lassen wir die Rhône für heuer hinter uns – wollen wir nach Monaco, werden wir das Rhônetal aber noch durchqueren müssen. In Leukerbad steht wieder ein Ruhetag am Programm.
Leukerbad – unser dritter Ruhetag – im Pool abhängen und Cocktails schlürfen
Leukerbad ist seit Jahrhunderten bekannt für seine heißen Quellen. Und damit unser Ruhetag kein „Ruhetag“ wird, verbringen wir den ganzen Tag in einem Thermalbad. Ach ist das fein!!! Das warme Wasser lockert unsere beanspruchten Muskeln, das süße Nichtstun gefällt unseren beleidigten Sehnen und die heilsamen Mineralien versöhnen unsere malträtierten Gelenke. Und dann gibt es auch noch mitten im Becken eine Bar!
Von Leukerbad bis Lenk – Vandalen mit Fell, Hörnern, Hufen und Glocken
Ausgeruht und voller Energie sind die nun letzten 3 Etappen im Nu bewältigt. Leukerbad (1.411m) ist umzingelt von hohen Felswänden und man kann sich kaum vorstellen, dass es hier einen normalen Wanderweg auf den Gemmipass (2.314m) geben kann – doch tatsächlich ist ein solcher durch die Felsen angelegt und selbst im Regen gut zu begehen. Am Daubensee vorbei gelangen wir schon bald auf der heuer kürzesten Etappe mit nicht einmal 10 km Länge, zum Berghotel Schwarenbach (2.060m) für unsere Übernachtung mit Halbpension. Der Koch verwöhnt uns mit üppigen, wohlschmeckenden Speisen in 4 Gängen. Würde ich in meinem Alltag nicht einmal im Traum daran denken, meinen Magen so spät am Abend mit solchen Mengen zu belasten, ist das auf unserer Weitwanderung überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil. Unser Kalorienbedarf ist enorm und unser Hunger exorbitant. Der Magen ist dehnbar und der Schlaf in der kühlen Luft tief und fest. Und in der Früh steht man schon wieder mit Hunger auf. Das ist Wandern auf der Via Alpina.
Vom Berghotel Schwarenbach wird nochmals steil aufgestiegen und wir verlassen den Kanton Wallis und wechseln in den Kanton Bern, hier im Süden ist es die Region Berner Oberland, die wir betreten und es wird Deutsch gesprochen. Es geht am unteren Rand des Tälli-Gletschers vorbei und schließlich erreichen wir den höchsten Passübergang in diesem Jahr – den Chindbettipass auf 2.623m Seehöhe. Die Ausblicke auf den Pässen sind stets wunderbar, immer ist einer oder mehrere der über 1.400 Gletscher der Schweiz zu sehen. Die allermeisten haben Namen, die wir noch nie gehört haben. Ein langer, steiler Pfad führt hinunter zur Engstligenalp (1.954m) und dann folgt – direkt nach dem Almabtrieb von ein paar Hundert Kühen und dem gestrigen Regentag – ein wahrlich grauslicher Weg bergab nach Adelboden (1.350m). Dass ein Weg von Rindviechern dermaßen arg zugerichtet werden kann, hätten wir wohl nicht gedacht. Immerhin passieren wir den zweithöchsten Wasserfall der Schweiz (Engstligenfälle) und können für ein paar Augenblicke die Verwüstungen des Weges vergessen. Das ****-Hotel in Adelboden tut sein Bestes, uns die Strapazen des Tages, aber auch der letzten 3 Wochen, vergessen zu lassen und verwöhnt uns an unserem letzten Abend in der Schweiz mit Sauna und Dampfbad, einem wunderbaren Abendessen und mit dem anschließenden Digestif stoßen wir auf die 100. Etappe der Via Alpina an. Wir sind schon ein gutes Stück gewandert auf diesem außergewöhnlichen Weg durch die Alpen.
Von Adelboden geht es dann im Skigebiet an Schwefel-haltigen Bächen entlang nur noch ein kurzes Stück hinauf zum Hahnenmoospass (1.950m), wo die Mitglieder des hier stationierten Modellbauclubs an diesem Samstag schon eifrig diverse Flugobjekte am Himmel steuern. Ansonsten wird im Winter hier überall skigefahren. Vom Pass absteigend, erreichen wir schon nach knapp 3 ½ Stunden Lenk – den Endpunkt unseres heurigen Via Alpina-Abenteuers.
Wir treten die Heimreise über Zweisimmen, Bern, Sargans und Feldkirch an und erreichen Wien nach vielen Stunden dankbar, glücklich, müde und zufrieden.
… was für tolle Photos und Reisebericht. Habe mich bei vielen Stellen wieder an die Wanderung vor 2 Jahren zurück erinnert. … und vielen Dank, dass ihr sogar Tom noch speziell erwähnt habt. Alles Liebe wünsche ich Euch.