Wenn die Arbeitstage lang und heiß sind, und der letzte Urlaub in ferner Vergangenheit zu liegen scheint, dann beginnen die Gedanken an ferne Küsten zu schweifen, und in Träumen betrachte ich die vorbeiziehende Landschaft aus sanft ruckelnden Waggons, mit einem Kaffee vor mir, und einem Buch im Schoß. Langsam formt sich der Entschluss, noch einmal ohne Plan und Ziel aufzubrechen. Meine Kamera, mein Rucksack, ein Interrail-Ticket und ich. Hinter mir die Pflichten des Alltags, vor mir ein Kontinent voller Möglichkeiten.
Und so finde ich mich Ende August in einem ÖBB Railjet wieder, unterwegs auf eine Reise mit vielen Unbekannten. Fest stehen lediglich Wien, als erster Halt, und dass ich in 31 Tagen wieder im Büro erscheinen muss. Für jemanden wie mich, der gerne alles geplant hat, ist das durchaus ein Schritt aus der Komfortzone.
Meine Erlebnisse der folgenden Wochen werde ich nach und nach hier im Blog teilen. Heute: die erste Etappe von Graz über Wien nach Bratislava.
1. Halt: Wien
Man muss ja nicht direkt ins kalte Wasser springen, für den Anfang kann man ja einmal die Zehen reinhalten um zu sehen, wie kalt es wirklich ist. Und so führt mich auch das erste Ziel meiner Reise erstmal nach Wien, wo ich im Kreise bekannter Gesichter den Abend verbringe. Nach einem gemütlichen Abendessen in einem Lokal, in dem das Essen passenderweise mit dem Zug serviert wird, spazieren wir über den Naschmarkt, der trotz der späten Stunde aufgrund der “Langen Nacht der Märkte” stark frequentiert ist. Nur der begrenzte Platz in meinem Rucksack bewahrt mich davor, mich hier der Schnäppchenjagd hinzugeben.
Nach dem Aufwachen fixiere ich mein nächtes Ziel: Bratislava. Die slowakische Hauptstadt ist nur eine kurze Zugfahrt von Wien entfernt, und weil ich noch nie dort war ist das fast ein logisches nächstes Ziel meiner Reise.
Bratislava
Der Zug kommt nicht am Hauptbahnhof, sondern in Bratislava Petrzalka, etwas südlich der Stadt an. Ein Geocacher beschreibt diesen Bahnhof als den “modernsten der Slowakei“, was viel über das Niveau der slowakischen Bahnhöfe verrät. Nach einer kurzen Orientierung marschiere ich zu Fuß über einen modernen Fuß- und Rad-Highway Richtung Innenstadt. Es stellt sich heraus, dass ich mich nicht lang genug orientiert habe, denn irgendwann verliere ich den Weg und wandere in der brütenden Hitze über Parkplätze und entlang stark befahrerner Straßen, ehe ich endlich an der Donaubrücke ankomme, von der man im Schatten einen wunderbaren Blick auf Bratislava hat.
Der Magen knurrt bereits, und passenderweise befindet sich am anderen Ufer, zwischen Altstadt und Donau, ein kleiner Street Food Markt. Angeleitet von Google Translate bestelle ich mir ein Gericht, dessen Name genausowenig aussprechlich wie mir erinnerlich ist, jedenfalls handelt es sich um ein Nudelgericht mit Kartoffeln, Sauerrahm, Frühlingszwiebel, abgerundet mit einer Zwiebelsauce. Gestärkt flaniere ich durch die süßen Straßen der Stadt, die vermutlich aufgrund der Hitze nicht ganz so frequentiert sind wie normalerweise. Bei einem Handwerksmarkt kann man nicht nur getöpfertes, gehäkeltes und geflochtenes kaufen, man kann auch den Meistern bei der Arbeit zusehen.
Hrad Devín
Am nächsten Morgen geht es mit einer Espresso Tonik (Prädikat “wird mit jedem Schluck weniger grauslich”) betankt und einem Bratislavské rožky (Mohn-/Nusskipferl) im Gepäck nach Devín, wo die berühmten Ruinen einer alten Festung auf einem Felsen thronen und den Zusammenfluss von Donau und March (Morava) überblicken. Der Aufstieg ist anstrengend (besonders aufgrund der Sonne, die versucht mich in einen knusprigen Toast zu verwandeln), aber machbar, und von oben sieht man die üppig bewaldete Natur an den Flussufern, und die Ausflugsschiffe die der Donau entlang Richtung Bratislava gleiten. Nachdem ich die alten Mauern ausgiebig erforscht habe geht es zum Fuß des Felsens, wo die March in die Donau mündet. Ein Denkmal erinnert daran, dass an dieser Stelle über 400 Menschen beim Versuch den Eisernen Vorhang zu überwinden ihr Leben verloren. Es ist unglaublich, dass sich vor gar nicht so langer Zeit an diesem friedlichen Ort, wo man heute nur Vögel und den Fluss hört, derart grausames abgespielt hat. Das Denkmal erinnert: “You, who are free and unrestrained, shall not forget that freedom of thinking, action and dreaming is a value worth living and sacrifice.”
An diesem Abend in Bratislava – ich sitze bei 28°C um 21 Uhr auf einer Bank – schmiede ich Pläne für meine Weiterreise, begleitet von der Sorge, dass ich den nächsten Monat einfach überhaupt nichts erleben werde. Es ist erst Tag 3 meiner Reise, und ins Entspannen und Dinge-auf-sich-zukommen-lassen muss ich wohl erst reinfinden. Wohin es weitergeht? Vielleicht ein bisschen flussaufwärts der March…
Der Beginn eines wunderbaren Abenteuers!
Also, die March flussaufwärts… da kommt man, zumindest wandernd, bald in unser aktuelles Markierungsgebiet am Niederösterreichischen Landesrundwanderweg… 😉