Im vorigen Teil meiner Interrail-Serie habe ich euch gefragt ob ihr denn wisst, wo die Trave mündet: und sie mündet natürlich in… Travemünde! Dort am Skandinavienkai beginnt die nächste, aufregende Etappe meiner Reise. Für die nächste Etappe verzichte ich auf den Zug, denn es geht mit der Fähre hinüber nach Schweden!
Alle Mann an Bord!
Fähren sind bei Interrail ja nicht inkludiert, aber manche Anbieter, wie zum Beispiel Finnlines, bieten einen Rabatt für Interrailer:innen an. Und so kann man zu erschwinglichem Preis direkt von Travemünde nach Malmö reisen – Kabine mit Bett inklusive.
Als die Fähre ablegt und durch die Ostsee gen Norden gleitet ist es schon dunkel. Die Hauptgruppe der Passagiere sind wohl LKW-Fahrer mit ihren Fahrzeugen, denn wir Fußpassagiere sind nur zu zweit. Auf Deck 3A wartet eine kleine Kabine (inklusive Dusche und WC) auf mich. Klein, aber für eine Nacht absolut in Ordnung. Das Bett ist größer als im NightJet, denn ich kann mich sogar ausstrecken! Ansonsten würde ich die Aufenthaltsqualität an Board eher mäßig bezeichnen. Draußen ist es sehr laut und es riecht nach Treibstoff und Abgasen. Drinnen gibt es nur wenige Sitzplätze im Bereich der Gastronomie. Ich bin wirklich froh, dass ich über Nacht fahre und eine Kabine habe, denn ich wüsste nicht, was ich hier tagsüber stundenlang wo machen sollte. Es ist eben eine Fähre, und kein Ausflugsschiff.






Um 6 Uhr werde ich geweckt: “Wir legen in etwa einer Stunde in Malmö an.” plärrt es durch die Lautsprecher. Der Schlaf war überraschend gut (Sleep Score: 80), und da an weiterschlafen jetzt eh nicht mehr zu denken ist gehe ich an Deck, gerade in dem Moment als die mächtige Øresund-Brücke geräuschlos über uns hinweg gleitet. Oder eher: wir unter ihr durch. Diese 8 Kilometer lange Brücke streckt sich von Schweden in den Øresund, bevor sie auf einer Insel endet und die Straße/Schienen durch einen Tunnel bis nach Dänemark verlaufen. Der Weg in die Stadt gestaltet sich ohne eigenen LKW eher schwierig. Mein einziger Fußpassagier-Kollege, ein deutscher Wanderer, und ich teilen uns ein Taxi zum Hauptbahnhof. Die Stadt ist gespenstisch leer, am Samstag um 8 Uhr. Im Hotel will ich den Rucksack abgeben, aber man gibt mir sogar das ganze Zimmer gleich. Perfekt um kurz zu rasten!




Malmö – das M steht für Mitternachtslauf
Als ich etwas später wieder auf die Straße gehe erkenne ich die Stadt gar nicht wieder, denn es ist ganz schön was los! Ich hole mir einen Kaffee und ein Kanelbullar, und mache mich auf um herauszufinden, was am Spruch “Das schönste an Malmö ist Kopenhagen” dran sein mag.
Malmö, die Industriestadt am Øresund, bekannt für das nach ihr benannte IKEA-Bett, steckte vor weniger als 30 Jahren tief in der Krise: die Wirtschaft in Schweden befand sich in Rezession, der Schiffbau war nicht mehr so gefragt. Malmös Bevölkerung wanderte ab, Alkohol und Drogen waren ein großes Problem. Aber die Stadt konnte die Kurve kratzen. Mit der Fertigstellung der Øresund-Brücke und der Eröffnung einer Universität lockte die Stadt wieder Firmen, Arbeiter und Studenten an. Heute ist Malmö eine junge und stark wachsende Stadt, mit einem lebendigen Zentrum und einer höheren Lastenraddichte als um den Grazer Lendplatz. Heute genießen viele Malmöiten den letzten schönen Sommertag: am Strand, unter einem überdimensionalen Lampenschirm oder in einer der unzähligen Parkanlagen. Fixer Bestandteil jedes Tages ist übrigens Fika: die Kaffeepause. Davon gibt es jeden Tag mindestens zwei, wobei es nach oben kein Limit gibt. In Dienstverträgen wird das Recht darauf manchmal sogar festgehalten. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Leben ist den Schweden nämlich ganz allgemein sehr wichtig. Dass Schweden und Dänen historisch bedingt angeblich verfeindeten sind mag zwar stimmen, die Anekdote, dass IKEA alle seine Klo-Produkte nach dänischen Orten benennt hielt einem Faktencheck aber nicht stand.









Am Abend nehme ich ganz spontan am Midnattsloppet teil. Der Mitternachtslauf führt 10 Kilometer lang durch das nächtliche Malmö, und ich weiß nicht wo ich nach der Nacht auf der Fähre die Energie her habe, aber ich fliege über den Asphalt und stelle einen neuen Rekord auf 10 Kilometern auf, einen Rekord, der auch heute, ein halbes Jahr später, noch immer nicht gefallen ist. Müde und überglücklich falle ich an diesem Abend ins Bett.



Lund
Die kleine Universitätsstadt Lund ist nur eine kurze Zugfahrt von Malmö entfernt, und ich lasse mich von einer Audiotour durch das Städtchen führen. Im Schatten der Kathedrale, auf der Wiese die sich bis zu den alten Universitätsgebäuden erstreckt, treffen sich die Leute um den schönen Septembernachmittag zu genießen. Eines der Gebäude, nämlich das mit Efeu bewachsene vom 1. Foto, wurde einmal zum – ihr habt es euch gedacht – schönsten Haus Schwedens gewählt. Als Universitätsstadt steht Lund (es hat weniger als ein Drittel der Einwohner von Graz) in freundlicher Feindschaft mit der Industriestadt Malmö, deren Lage am Hafen sie zur drittgrößten Schwedens gemacht hat.







Nach ein paar Tagen in Schweden ist es nun an der Zeit meine Reise fortzusetzen, und zwar über die Øresund-Brücke Richtung Westen…