Von Graz aus bin ich im Herbst 2024 per Interrail unterwegs, und komme nach Stopps in Wien, Bratislava und Olmütz in Deutschland an.

Auf den Spuren von Wes Anderson in Görliwood

Wenn man eine Nachricht erhält, in der einem eine Million versprochen wird, tut man die üblicherweise als Spam ab und ignoriert sie. Görlitz hat das zum Glück nicht getan: ein anonymer Spender gab der Stadt über einen Zeitraum von 21 Jahren jährlich eine Million D-Mark (ca. 500.000 €), die für den Erhalt der denkmalgeschützten Altstadt eingesetzt werden sollten. Weitere Bedingung: die Stadt dürfe nicht versuchen, die Identität des Spenders zu enthüllen.

Und so ist Görlitz, auch “Görliwood” genannt, heute eine hübsche Stadt (die östlichste Deutschlands, wohlgemerkt) an der Lausitzer Neiße, deren Altstadtkern den 2. Weltkrieg unbeschadet überstand und so in weiten Teilen noch original so aussieht, wie vor mehreren hundert Jahren.

Beim Aussteigen aus dem Zug macht ein Schild darauf aufmerksam, dass man in der (für einige) schönsten Stadt Deutschlands angekommen ist. Ich bin skeptisch, aber dann begeistert mich schon die Bahnhofshalle alleine. Der Spaziergang in dem kleinen Städtchen macht Spaß, relativ wenige Touristen verirren sich hier her, und Einheimische schlürfen am Untermarkt ihren Kaffee. Ich geselle mich dazu, esse sächsisches Feuerfleisch (“lecker scharf”) während Wespen mich neidvoll umschwirren, und genieße die Herbstsonne.

Manche der Gebäude lassen einen unwillkürlich an Wes Anderson denken: und natürlich war er schon hier. Sein preisgekörnter Film “Grand Budapest Hotel” wurde teilweise in Görlitz gedreht. Wegen der tollen Kulisse ist Görlitz generell oft in Filmen vertreten, weshalb sich die Stadt stolz den Beinamen “Görliwood” gibt.

Spaziert man über die Brücke über die Lausitzer Neiße, landet man in Zgorzelec, der polnischen Hälfte von Görlitz. Die Stadt wurde nach dem 2. Weltkrieg zweigeteilt, aber dank der EU weist heute rein gar nichts mehr darauf hin, dass man man ein Land verlässt und das andere betritt. Man kann sich frei über die Brücke bewegen, die Aussicht auf das deutsche Görlitz bewundern, und dann – zumindest sagt das die Werbung – mit einer billigen Stange Zigaretten wieder zurückmarschieren.

Das schiefe Tor von Lübeck

Da es auch in Görlitz noch Wespen gibt hilft nur eines: ich muss noch weiter in den Norden! Und je näher ich diesem komme, desto mehr Fahrgäste mit schwerem Gepäck, auf dem Weg zur ihrem Kreuzfahrtsschiff, stoßen dazu. In Rostock lasse ich die Reisenden nach Warnemünde hinter mir und steige um. Zwar bleibt keine Zeit die Stadt gründlich zu erkunden, aber zumindest bis zum Steintor spaziere ich, und kann dort einen raffiniert versteckten Geocache finden, unterschreiben, und wieder gut verstecken.

Der Regionalzug nach Lübeck ist dann übervoll, mein schwerer Rucksack muss die ganze Fahrt über auf meinen Schoß verharren. Es ist eben gerade Pendler-Primetime. In Lübeck beziehe ich mein kleines Quartier gleich neben dem Bahnhof und dann gehts auf eine Erkundungstour durch die Stadt.

Und Lübeck, das ist ein klein wenig mehr als nur Marzipan. Strategisch auf einer Halbinsel im Fluss Trave gelegen ist die Stadt vollgepackt mit Backsteinbauten und Kirchen. Letzteren verdankt die Stadt den Beinamen “Stadt der sieben Türme”, und den Turm der Petrikirche erklimme ich, bzw transportiert mich ein Lift ganz komfortabel nach oben. Von dort hat man ein schönes Panorama, die Ostsee erkennt man aber aufgrund einiger kleiner Hügel leider nicht. Die Petrikirche wurde im Krieg zerstört, und erst in den 80ern wieder fertiggestellt. Ihr Inneres ist nackt und weiß, alle Elemente (Altar, Orgel, Stühle) sind beweglich, und so kann die Kirche vielseitig genutzt werden: für Messen, Ausstellungen und Sponsionen. Beim Blick ins Innere fragt man sich vielleicht, ob das überhaupt eine Kirche ist. Die Antwort steht am Eingang – in großen Leuchtbuchstaben.

Um die Backsteinbauten der Altstadt und das schiefe Holstentor kann man sich in der Touristenmenge treiben lassen – und sich ein kleines bisschen wie im Mittelalter fühlen. Zum Verweilen laden aber eher die Ufer des Stadtgrabens und der Trave ein. Dort gehe ich hin um zu laufen und mich zu verlaufen. Das ist bei all den gewundenen Wegen und Brücken nämlich gar nicht so schwierig. Aber am Ende finde ich doch immer wieder nach Hause.

Das Holstentor ist übrigens nicht absichtlich so schief gebaut worden, wie es nun dasteht. Es wurde auf der nach außen zeigenden Seite sehr stabil gebaut, auf der zur Stadt schauenden Seite eben nicht. Der Plan war, dass man das Tor bei einem Angriff von innen leicht zerstören kann, um so den Feind darunter zu begraben oder ihm den Weg abzuschneiden. Da das Tor noch heute steht, dürfte es nie dazu gekommen sein, aber über die Jahre hat diese Architektur dazu geführt, dass eine Seite eingesunken ist.

Wisst ihr übrigens, wo die Trave mündet?

By Markus

A photo enthusiast since he can remember, Markus loves travelling and taking photos with his Lomo Fisheye camera. When he hasn't got his finger on the trigger of a camera he is a software developer.

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